Le Mans Geschichten: (4) Brillante Fahrerleistungen, Teil 2

Teil 2: Die Jahre 1972 bis 2014  (Teil 1 kann hier aufgerufen werden)

Epoche 1972-1993

Nach zwei Siegen des Porsche 917 (1970/71) folgten drei Erfolge des Matra, nach über 20 Jahren endlich wieder ein Triumph der Equipe Tricolore. Henri Pescarolo legte hier mit seinen drei Erfolgen den Grundstein für seine Karriere als Endurance-Pilot (siehe Bericht über Pescarolo) und Gerárd Larrousse polierte seine Bilanz weiter auf: Zwei erste und zwei zweite Plätze in den Jahren 1969 bis 1974.

Mit dem Jahr 1975 begann eine Periode, in der Jacky Ickx eine Serie schaffte, die ansonsten nur Tom Kristensen vorweisen kann und die ihm den Namen „Monsieur Le Mans“ verlieh. Von den neun Rennen bis 1983 gewann er fünf und landete bei drei weiteren – zweimal nur knapp geschlagen – auf Platz Zwei. Von 1976 bis 1985 war Ickx die Nummer 1 bei Porsche, holte in Le Mans drei Siege mit dem 936 und einen mit dem 956. Überhaupt war Porsche ab 1976 der dominierende Hersteller in Le Mans und auch sonst in der Endurance-Szene, ähnlich wie Audi 25 Jahre später. In den zwölf Jahren 1976 bis 1987 war Porsche zehnmal erfolgreich, bis 1981 unter dem Regime der Gruppen 6 (Sportwagen) und 5, mit drei Siegen für den 936 und einem für den 935, und ab 1982 in der Gruppe C mit dem 956 und dem 962C, die alle sechs Le Mans-Titel dieser Jahre holten. Das neue Dream Team der Epoche war die Kombination Ickx und Derek Bell. Der Belgier und der Brite gewannen die Rennen 1975 (Mirage), 1981 (Porsche 936) und 1982 (956).

Jacky Ickx: fünf Le Mans-Siege 1975-1982

Derek Bell: vier Le Mans-Siege mit Porsche, 1981 bis 1987

Drei fabelhafte Fahrerleistungen aus dieser Zeit bleiben besonders in Erinnerung, die allerdings nur in einem Fall am Ende Platz 1 zur Folge hatten.

Le Mans 1977: Zweite Runde des Le Mans-Duells der beiden Gruppe 6-Protagonisten Renault-Alpine und Porsche – zwei 936 nach aktuellem Stand plus ein 935/77 Werkswagen, gemeldet von Martini Racing, gegen drei Werks-Renault A442, verstärkt durch einen weiteren Renault (gemeldet von H. du Chaunac) und zwei Renault-getriebene Mirage. Die fünf Gruppe 6-Werkswagen traten auf Augenhöhe an. Der etwas schwächer besetzte 936 mit Barth und Haywood (Nr. 4) fiel kurz nach dem Start nach zwei längeren Stopps von zusammen ca. 50 Minuten auf Platz 41 zurück. Und dann fiel der 936 (Nr. 3) mit der Star-Paarung Ickx –Pescarolo nach vier Stunden aus – Motorschaden! Rennleiter Manfred Jantke entschied sich für eine damals erlaubte Rochade und setzte seine Nummer 1, Jacky Ickx, auf den zweiten 936, der sich gerade in die Top 20 vorgekämpft hatte. Was dann in der Nacht folgte, ist eine der erstaunlichsten Aufholjagden der Le Mans-Geschichte mit Ickx als Hauptdarsteller. „His driving during the night entered Le Mans legend as he set up the greatest comeback since Lazarus“ (Quentin Spurring, Le Mans – The Official History of the World´s Greatest Motor Race 1970-79, Evro Publ., Sherborne 2011, S. 239). Bis morgens um 9 Uhr saß der Belgier nur mit kurzen Unterbrechungen nahezu zehn Stunden am Steuer und fuhr regelmäßig im Qualifikationsmodus. Morgens lag er auf Platz zwei und rückte dann fast uneinholbar auf Platz eins vor – alle Renault-Alpine fielen nacheinander mit Motorschäden aus. Das Drama drei Stunden vor Schluss, als auch der 936-Motor einen Ventilschaden erlitt, bis 15.50 Uhr nach Stilllegung eines Zylinders an der Box verharrte und regelkonform bis 16 Uhr noch zwei langsame Runden drehte, war dann nicht mehr Ickx´ Angelegenheit, das erledigte Jürgen Barth und wurde damit zum zweiten Helden der Geschichte.

Le Mans 1977: links Porsche 936, Sieger (Barth-Haywood-Ickx), Modell: Solido / rechts: Mirage Renault, Zweiter (Schuppan-Jarier), Transkit Basis Solido

Le Mans 1978: Im folgenden Jahr erlebte ich bei meinem ersten Le Mans-Besuch fast eine Doublette des Vorjahres. Wieder duellierten sich Renault und Porsche um die Endurance-Krone. Das ging schon im Training los, als Jacky Ickx die Pole-Zeit von 1977 mit dem erneut überarbeiteten 936/78 um über vier Sekunden unterbot und Depaillier im neuen A443 knapp auf Platz zwei verwies. Das Rennen begann wie im Vorjahr mit einem Fehlstart der Stuttgarter, um 20 Uhr lagen vier Renault an der Spitze. Und wie schon 1977 wurde Ickx auf den besser platzierten 936 gesetzt, und er startete zusammen mit Bob Wollek über Nacht eine Aufholjagd bis auf Platz zwei am frühen Morgen. Der spätere Ausfall des A443 hätte sogar die Führung gebracht, dieses Mal aber hielt einer der vier Werks-Renault bis 16 Uhr durch, während keiner der beiden verbliebenen 936 ohne Reparaturstopps über die Runden kam. So blieb dem Fahrerteam Wollek und Barth, ab 20 Uhr ergänzt um Ickx, nur der Ehrenplatz hinter dem Renault Alpine A442B mit Pironi und Jaussaud.

Le Mans 1978: Porsche 936/78 (Barth-Wollek-Ickx, Zweiter), Modell: Minichamps / Renault Alpine A443 (Jabouille-Depailler), Spark

Le Mans 1983: Manchmal entwickelt sich ein spannender Rennverlauf, obwohl ein Konkurrent eindeutig die Wetten auf Platz 1 beherrscht. 1983 war so ein Fall: Porsche dominierte die Gruppe C seit dem historischen Dreifachsieg 1982 nach Belieben, allen voran die Werkswagen, die gegenüber den an Privatteams verkauften 956 in der Saison 1983 einen technischen Vorsprung ausspielen konnten. In Le Mans traten drei Werkswagen sowie nicht weniger als acht private 956 an. Die Konkurrenz war entweder für die lange Distanz noch nicht ausgereift (Lancia) oder zu langsam (Rondeau) oder beides (Aston Martin, WM, Lola, Sehcar). Unter den drei Sieganwärtern der Werks-956 wiederum war die Startnummer 1 mit Ickx und Bell als Favorit gesetzt, nicht nur, weil die Paarung bereits die beiden Le Mans-Rennen 1981 und 1982 klar dominiert hatte, sondern auch wegen der überragenden Trainingsbestzeit von Jacky Ickx: Seine Zeit von 3:16,6 lag über vier Sekunden unter der Zeit des nächsten Fahrzeugs (Lancia) und elf Sekunden unter dem alten Trainingsrekord von Ickx im 936 von 1978.

Das Rennen war gerade in der zweiten Runde, als Ickx nach einem Rempler von Jan Lammers im privaten 956 von der Strecke abkam und die Box aufsuchen musste – eine Runde ging dabei verloren. Der Werks-Porsche brauchte über zehn Stunden, um sich an den nahezu gleich schnellen 956-Konkurrenten vorbei wieder auf Platz zwei vorzuarbeiten – das Verbrauchsreglement der Gruppe C erlaubte keine großen Sprünge. Morgens um 6 Uhr wurde schließlich der bis dahin fehlerlos fahrende Werks-956 Nr. 3 von Holbert, Haywood und Schuppan eingeholt, aber nur eine halbe Stunde später strandete Bell bei Mulsanne und musste dort eine Notoperation an der Motorsteuerung durchführen. Nach der korrekten Reparatur an der Box hatte man vier Runden verloren – erneut waren Ickx und Bell im Aufhol-Modus. Beide übertrafen sich selbst und kamen eine Stunde vor Schluss bis auf eine Runde an die Führenden heran, die nun selbst aufgrund einer notdürftig befestigten Tür und in der Folge mit einer gestörten Kühlluft-Zufuhr für den wasser-/luftgekühlten Motor in massive Probleme gerieten, die fast zum Totalausfall in der letzten Runde geführt hätten. Mit ca. einer Minute Vorsprung rettete sich die Nr. 3 – in der letzten Runde ohne einen Tropfen Kühlwasser – gerade noch vor dem heranstürmenden Bell über die Ziellinie, der seine letzte Tankfüllung vollständig aufgebraucht hatte: Ein dramatisches Finale! Derek Bell sprach später von seiner besten Leistung in Le Mans, obwohl er sich am Ende mit Platz 2 begnügen musste.

Le Mans 1984-1988: Während der Blütezeit der Gruppe C hinterließen vor allem zwei Fahrer aus der deutschen Rennsport-Szene ihre Fußabdrücke in der Le Mans-Geschichte: Klaus Ludwig und Hans-Joachim Stuck – sicher auch deshalb, weil sie im Vergleich zu zwei anderen in Deutschland populären Le Mans-Piloten, Jochen Mass und Bob Wollek, einfach mehr Glück bei den 24 Stunden hatten. Der Name Ludwig ist dabei mit seinen Auftritten mit dem legendären Joest 956-117 in den Jahren 1984-1986 und seinen Le Mans-Erfolgen 1984 und 1985 verbunden. Er gewann zweimal in Folge mit demselben Fahrzeug, das hat bis heute (2021) außer ihm nur Woolf Barnato mit dem Bentley Speed Six 1929 und 1930 geschafft. Stuck trat 1985 beim Porsche Werksteam in die Fußstapfen von Jacky Ickx und Stefan Bellof, eroberte in kurzer Zeit den Status als Chefpilot und holte für Porsche zwei Le Mans-Siege in Folge (1986 und 1987), jeweils zusammen mit seinen Kopiloten Derek Bell und Al Holbert. Natürlich lieferten die Kopiloten der beiden Stars, bei Ludwig waren es Pescarolo und Barilla, ihren Beitrag zu den Erfolgen. 1988 schließlich bildeten Stuck und Ludwig zusammen mit Bell das berühmte „All Star Trio“ des Werks-Porsche beim Duell gegen Jaguar. Hinter diesem Team standen nicht weniger als zehn Le Mans-Siege.

Stars der Gruppe C-Ära: Nielsen (Dänemark), Ludwig, Stuck, Bell, Brundle (GB)

1984 begann das Rennen für Ludwig und Pescarolo im Joest 956 mit einem Fehlstart: Zwei Extra-Boxenstopps in den ersten Runden (Benzinzufuhr) spülten sie zurück auf die hinteren Ränge, und nach vier Stunden folgte ein neuer Rückschlag, 14 Minuten Stopp für den Tausch einer Radaufhängung. Auf Rang 22 nahm man die Verfolgung auf, die über die restlichen 20 Stunden andauern sollte. Andere Fahrzeuge bekamen über die Distanz auch ihre Probleme, und morgens um 8 Uhr hatten Ludwig-Pescarolo durch schnelle und fehlerlose Fahrt die Führung erobert, die bis ins Ziel anhielt: Coup Nr. 1 des 956-117 des Joest Teams, dem im folgenden Jahr der Coup 2 mit Ludwig und Barilla folgte, dieses Mal sogar gegen das gesamte Werksteam.

Le Mans 1984: Porsche 956 (Joest Racing, Nr. 117), Sieger Ludwig-Pescarolo, Modell: Spark

Le Mans 1985: Porsche 956-117, Sieger Ludwig-Barilla-Winter, Minichamps

1986 trat der legendäre 956-117 ein drittes und letztes Mal in Le Mans an, das Werk fuhr da schon im zweiten Jahr den neueren 962C. Das Rennen bleibt bis heute in Erinnerung, weil mit dem Österreicher Jo Gartner ein Riesentalent im Kremer Porsche 962C auf der berüchtigten, damals noch nicht unterbrochenen Hunaudières-Geraden sein Leben verlor. Dem Unfall nachts kurz nach 3 Uhr folgte eine Safetycar-Phase von über zwei Stunden und danach und als Folge gegen 4.30 Uhr ein Motorschaden des Joest-956, der dem seit Rennstart geführten Zweikampf mit dem Werksporsche Nr. 1 von Stuck, Bell und Holbert ein abruptes Ende setzte. So war auf zweifache Weise die Luft aus dem Rennen, die Fahrt der Nr. 1 zum überlegenen Sieg war nur noch eine triste Vorstellung – vergessen waren die ersten 12 Stunden des Rennens, mit dem grandiosen Duell zwischen den beiden Porsche. Mindestens 35mal wechselte die Führung, Stuck und Ludwig überboten sich mit den Rundenzeiten und nutzten gegenseitig den Windschatten des anderen. Die anderen Porsche oder die neuen TWR Jaguar XJR6 hatten dagegen keine Chance. Schade – als 12-Stundenrennen wäre diese Le Mans-Ausgabe in die Geschichte eingegangen.

Le Mans 1986: Sieger Porsche 962C (Stuck-Bell-Holbert), Modell: Quartzo

hier das korrekte Modell von Spark

1987 waren erstmals seit vielen Jahren nicht die Porsche 962C sondern die drei Jaguar XJR8 LM von Tom Walkinshaw Racing die Favoriten in Le Mans, nachdem Jaguar die WM-Saison bis dahin beherrscht hatte. Aber Le Mans hat immer noch seine eigenen Gesetze. In diesem Jahr griffen zwei Faktoren in das Renngeschehen ein: Erstens führte das launische Wetter zu stetem Wechsel zwischen trockenen und nassen Phasen, mit allen Abstufungen dazwischen; und zweitens führte eine im Rennen grenzwertige Benzinqualität zum frühen frühe Ausfall vieler turbogetriebenen Fahrzeuge, u.a. mehrerer privater und eines Werks-Porsche. Nach zwei Stunden befand sich nur noch der Vorjahressieger (Stuck-Bell-Holbert) auf Augenhöhe mit den Katzen. Der Spruch von „one Messerschmitt against three Spitfire“ ging durch Boxengasse und Pressezentrum. Die Nacht- und Morgenstunden brachten die Entscheidung gegen Jaguar: Die schwierigen Verhältnisse mit im Wechsel nasser, feuchter und trockener Strecke kamen dem „Regenmeister“ Stuck entgegen. Mit einer Schicht von fast vier Stunden eroberte er die Führung für den verbliebenen 962C, und als morgens der stärkste Jaguar mit Brundle und Nielsen ausfiel, war das Rennen gelaufen. Stuck nannte das Rennen später seine stärkste Leistung im Gruppe C-Porsche.

Le Mans 1987: Sieger Porsche 962C, Stuck-Bell-Holbert (Modell: Starter) mit Jaguar XJR8LM (Provence Moulage)

1988 – in der Blütezeit der Gruppe C erwartete man in Le Mans einen spannenden Dreikampf zwischen Jaguar, Sauber Mercedes und Porsche. Die 962C aus Weissach traten in diesem Jahr nur in Le Mans an. Es war Porsches Abschiedsvorstellung, und die drei massiv aufgefrischten Werkswagen in schwarz-rot-gelbem Design waren wohl die besten Gruppe C-Porsche, die jemals in Le Mans an den Start gingen. Und für viele waren sie auch die optisch attraktivsten. Speziell die Nr. 17 mit Stuck, Bell und Ludwig, mit 10 Le Mans-Siegen auf ihrem Konto, galt neben den stärksten Jaguar XJR9 als heißer Favorit, zumal Mercedes die beiden C9 nach einem Trainingsunfall nicht an den Start brachte. Ein Paukenschlag des 962C Nr. 17 war die Traumrunde (3:15,6) von Hans Stuck im Training – sechs Sekunden schneller als die Pole-Zeit des Vorjahres (siehe „Le Mans Geschichten“, Folge 2, Training in Le Mans). Das Rennen erfüllte dann alle hohen Erwartungen: Das Duell Porsche vs Jaguar beherrschte die gesamten 24 Stunden. Nacheinander fielen sechs der acht Werkswagen aus oder sie konnten das Tempo der beiden schnellsten Wagen, Porsche Nr. 17 und Jaguar Nr. 2, nicht mitgehen. Die letzten vier Stunden standen im Zeichen dieser beiden Autos, die kaum einmal mehr als eine Runde getrennt waren. Vor allem die beiden Chefpiloten, Stuck und Lammers, zeigten eine Klasseleistung, ihre Kopiloten, Bell und Ludwig bzw. Dumfries und Wallace, waren aber kaum langsamer. Schließlich entschied wieder einmal nicht der Rennspeed auf der Strecke, sondern die bei den Boxenstopps verbrauchte Zeit, und da stand der Porsche aufgrund kleiner technischer Probleme sieben Minuten länger als der Jaguar. Hinzu kam die halbe Runde, die Ludwig mit leerem Tank per Anlasser zur Box humpeln musste. Am Ende lag nur eine dreiviertel Runde zwischen dem Jaguar und dem Porsche.

Le Mans 1988: Porsche 962C (Stuck-Bell-Ludwig), Zweiter, Modell: Starter

Le Mans 1988: Jaguar XJR9LM (Lammers-Dumfries-Wallace), Sieger, Modell: Starter

1991 war das letzte Jahr, in dem ein Auto aus der „alten“ Gruppe C der 1980er Jahre eine realistische Chance auf einen Sieg in Le Mans hatte und bevor die Endurance-Szene aufgrund von Reglementänderungen in eine tiefe Krise stürzte. Le Mans war eine Wundertüte mit vielen Überraschungen und Neuheiten. Der Streckenverlauf wurde ja bereits im Vorjahr entscheidend geändert, mit zwei Schikanen auf der langen Hunaudieres-Geraden. Nun kam eine neue Boxenanlage mit großer Tribüne hinzu, und am Sonntagnachmittag feierten Japan, Mazda und die Wankel-Technik ihren ersten Sieg in Le Mans. Dieses Resultat war für Insider vielleicht überraschend, aber durchaus keine Sensation: Die Fahrzeuge der neuen C1-Kategorie mit 3,5 Liter-Saugmotoren (Peugeot, Jaguar, Mercedes) waren noch viel zu neu, und die alte Gruppe C wurde durch Heraufsetzen des Mindestgewichts von 900 auf 1000 kg (bei gleichem Verbrauchslimit) empfindlich eingebremst. Nur die IMSA-Kategorie, in der Mazda startete, entging auf wundersame Weise einer solchen Änderung, es blieb wie bisher bei 830 kg Mindestgewicht – die Chefs in Japan konnten es kaum glauben. Angesichts des Gewichtsvorteils gegenüber den profilierten Gruppe C-Autos von Sauber Mercedes, Jaguar und Porsche sowie den Konkurrenten aus Japan (Toyota, Nissan) entwickelte man bei Mazda den 787B, ein für Le Mans maßgeschneidertes Auto mit Blick auf einen möglichen Gesamtsieg. Die Konkurrenz war plötzlich in Reichweite geraten. Nur der Sauber Mercedes C11, Weltmeister von 1990, war doch ein gutes Stück schneller.

Der beste Mazda war mit drei schnellen Piloten besetzt, alle unter 30 Jahre, darunter ein Sportwagenpilot (Volker Weidler) und zwei Fahrer, die Aussicht auf eine erfolgreiche Formel 1-Karriere hatten (Johnny Herbert und Bertrand Gachot). Sie bildeten ein homogenes und schnelles Trio, ohne allerdings auf eine jahrelange Le Mans-Erfahrung bauen zu können.  Ihr Training entsprach mit Platz 12 etwa den Erwartungen, und im Rennen lag man nach drei Stunden auf Platz 10 – nichts Ungewöhnliches also. Aber dann: Platz vier hinter den schnelleren C11 nach sechs Stunden, zur Halbzeit nach Problemen bei zwei der drei Mercedes auf Platz zwei, knapp vor den viel zu schweren Jaguar V12. Und in Stunde 22 dann der Paukenschlag. Der überlegen und seit vielen Stunden führende C11 mit Schlesser, Mass und Ferté fiel mit Motorschaden aus: Japan hatte seinen ersten Le Mans-Sieger und musste doch noch ein gutes Vierteljahrhundert auf den nächsten Sieg warten. Es war ein Erfolg eines höchst professionell eingesetzten und absolut standfesten Fahrzeugs, das von drei schnellen, gleich starken und fehlerlos fahrenden Piloten ohne jegliche Extra-Standzeit über die Distanz gebracht wurde. Über viele Stunden bewegten sich die Fahrer dabei nahe am Limit, ihre schnellste Runde im Rennen war besser als die schnellste Trainingsrunde, und nur die drei C11 waren im Rennen wirklich schneller als der Mazda.

Nach dem Zieleinlauf setzten sich bei den Fahrern die bemerkenswerten Ereignisse fort: Herbert fehlte bei der Zeremonie, weil er nach seiner letzten Schicht dehydriert zusammenbrach; Weidler verlor während des Rennens einen Ohrstöpsel und zog sich dadurch einen dauerhaften Hörschaden zu (nicht überraschend, wenn man den Mazda in Le Mans life sehen und hören „durfte“); und Gachot musste ein paar Wochen nach Le Mans in Spa – aufgrund einer dubiosen Haftstrafe in London – seinen Formel 1-Jordan einem gewissen Michael Schumacher überlassen, der beim Grand Prix von Belgien seine ersten Meter in der Formel 1 fuhr.

Le Mans 1991: Mazda 787B, Sieger (Weidler-Herbert-Gachot), Modell: Starter

Epoche 1994-2014

Dem Ende der Gruppe C-Jahre 1990/91 folgten einige Krisenjahre der Endurance-Szene, die auch Le Mans erfassten. Allerdings konnten Peugeot und Toyota die Jahre 1992/93 dort mit ihren beeindruckend schnellen Prototypen leidlich überbrücken, bis sich der ACO für ein neues Konzept entschied, bei dem die GT-Kategorie wieder das Rückgrat bilden sollte. Im Verlauf des Jahrzehnts nahm die Attraktivität des Teilnehmerfelds kontinuierlich zu, und 1998 und 1999 waren wieder mehrere Werksteams am Start. 1999 wurde zu einem Duell Deutschland gegen Japan stilisiert: Mercedes (AMG), BMW (Schnitzer) und Audi (Joest) auf der einen, Toyota und Nissan auf der anderen Seite. Der BMW war ein offener Sportwagen und entstand in Kooperation zwischen BMW und Williams. Das Rennen verlief in mehrerer Hinsicht dramatisch, und einmal mehr zeigte Le Mans, dass ein störungsfreies Rennen und eine überlegene Führung über viele Stunden keine Garantie dafür ist, am Ende siegreich über die Ziellinie zu fahren. Über einige dieser Beispiele wurde in einem Beitrag auf dieser Webseite bereits berichtet.

1999: Einer dieser Fälle betrifft den BMW V12 LMR von Tom Kristensen, J. J. Lehto und Jörg Müller (Startnummer 17) im Jahr 1999. Bis zum Renntag standen die beiden Schnitzer-BMW nicht im Mittelpunkt, obwohl sie zum Saisonbeginn bereits in Sebring siegreich waren. Favoriten waren eher die Toyota GT-One und die AMG Mercedes, die als Coupés an den Start gingen. Aber die Nr. 17, der schnellere der beiden BMW, fuhr die dritte Trainingszeit hinter zwei Toyotas und lag im Rennen von Beginn an in der Spitzengruppe. Im Vergleich mit Toyota und Mercedes waren die BMW technologisch einfacher, auf der Strecke fast gleich schnell, aber im Verbrauch besser, und vor allem waren die Boxenstopps schneller. Insbesondere die Nr. 17 war mit drei gleichwertigen Spitzenpiloten besetzt – das Trio schöpfte das Potential des LMR voll aus und lag nach dem Rückzug von Mercedes und den Ausfällen der beiden schnellen Toyotas in den frühen Morgenstunden überlegen in Front vor dem etwas langsameren BMW der späteren Sieger Martini, Winkelhock und Dalmas. Das Team konnte in den Schon-Modus wechseln. Dann mittags gegen 12 der Paukenschlag: Ein Aufhängungsschaden führte zu einer Kettenreaktion und am Ende zum Abflug des BMW in die Betonwand – das Aus nach 20 Stunden! Am Ende siegte nicht BMWs Top-Auto, sondern die Nr. 15, wenn auch nur knapp vor dem dritten Toyota, und wieder einmal waren – Le Mans-typisch – die ganz Schnellen aus- oder zurückgefallen und die Autos am Ende ganz vorn, die anfangs nicht im Mittelpunkt standen.

BMW V12 LMR, links Sieger in Sebring 1999 (Modell: Jadi), rechts Sieger in Le Mans (Minichamps)

Die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts standen ganz im Zeichen von Audi. Nachdem sich die meisten Werksteams von 1998/99 zurückgezogen hatten, stand der neue R8 turmhoch über der Konkurrenz, und Tom Kristensen, Frank Biela und Emanuele Pirro schafften 2000-2002 den ersten und bis heute (2020) einzigen echten Hattrick der Le Mans-Geschichte – gleicher Fahrzeugtyp, gleiches Fahrerteam. Nach dem Bentley-Intermezzo 2003 schaffte der R8 in Privathand noch zwei weitere Erfolge 2004 und 2005, in seinem letzten Jahr allerdings, reglementbedingt eingebremst, erst nach langem Duell mit den Pescarolo Judd des tapferen Henri. Und in allen sechs Jahren saß der große Däne am Steuer und wurde zum Kongen af Le Mans. Das kann man nicht mehr mit Glück erklären, Kristensen hatte neben seinem Rennspeed vielmehr ein goldenes Händchen dafür, wie man den Endurance-Klassiker als Team anzugehen hat. Ein Beispiel ist die fehlerfreie Fahrt des Trios Kristensen–Lehto–Werner 2005 gegen die eigentlich etwas schnelleren Pescarolo.

2006 erschien Audi dann mit dem R10 und der Diesel-Technologie und setzte seine brillante Serie fort. Und ab 2007 folgte eines der intensivsten Duelle der Le Mans-Geschichte: Audi gegen Peugeot. Die beiden Diesel-Werksteams bescherten Le Mans bis 2011 knisternde Spannung. Gleichzeitig formierte sich bei Audi ein neues „Dream Team“ mit Rinaldo Capello, Kristensen und Allan McNish (CKM). Die drei gewannen zusammen zwar in den Jahren 2006 bis 2012 in Le Mans nur das Rennen 2008, das Team war aber unbestritten die Nummer 1 bei Audi und meist auch das schnellste Trio im Joest-Stall. Sie waren nicht immer vom Glück verfolgt, aber für die Medien und das Publikum wurden die drei schnell zu Lieblingen der Szene – sicher auch durch ihre Persönlichkeiten.

2008: Beispielhaft für den besonderen Status der drei war das Jahr 2008. Im Jahr zuvor kam Peugeot erstmals mit dem 908 Diesel nach Le Mans, der Audi R10 war da schon in der zweiten Saison, er war daher ausgereifter und auch etwas schneller als der Neuling. CKM waren morgens auf Siegkurs, dann strauchelte Capello mit nurmehr drei Rädern am Fahrzeug in der Indianapolis-Kurve – aus! 2008 war der Peugeot deutlich schneller als der R10 in seiner dritten Saison. Im Training lag die Differenz zunächst bei fünf Sekunden pro Runde, beim zweiten Training wurde es kaum besser. Auch die schnellsten Rundenzeiten im Rennen lagen im Schnitt zwischen Peugeot und Audi um knapp vier Sekunden auseinander. Die erste, trockene Rennhälfte bestätigte dieses Bild, die Peugeot machten die Pace. Allerdings gelang es den Franzosen nicht, sich von Audi, insbesondere vom CKM-Audi mit der Nr. 2, abzusetzen: Audi hatte die kürzeren Standzeiten aufgrund des günstigeren Verbrauchs und durch schnellere Fahrerwechsel als beim Peugeot Coupé, und alle drei Peugeot mussten ein paar kleine Verzögerungen einstecken (Technik, Fahrfehler). Als dann morgens um 5 Uhr das Wetter umschlug – von nun an fiel über Stunden leichter Regen, unterbrochen von Trockenphasen – waren die Audi plötzlich schneller als die Peugeot, sobald es feucht oder nass war. Nun schlug die Stunde der Le Mans-Routiniers: Kristensen übernahm die Führung, und zusammen mit seinen Mitstreitern wurde diese bis zum Ende des Marathons verteidigt, vor den beiden besten Peugeot.

Das Dream Team machte in diesem Jahr den Unterschied und stellte die Mathematik auf den Kopf: Allein aufgrund der besseren Rundenzeiten im Trockenen hätte der Peugeot am Ende fast 20 Minuten oder mehr als fünf Runden Vorsprung vor dem Audi haben müssen. Über die 24 Stunden hatte der siegreiche Audi aber eine um fast 10 Minuten geringere Boxenstandzeit und schaffte bei gemischten  und nassen Verhältnissen bessere Rundenzeiten aufgrund einer für diese Bedingungen günstigeren Rennabstimmung, der geschickteren Reifenstrategie und vermutlich auch der besseren Fahrer. Am Ende hatte der siegreiche Audi zwei Minuten Vorsprung vor dem besten Peugeot.

Le Mans 2008: Audi R10 TDI, Sieger (Kristensen-Capello-McNish), Modell: IXO

2011: Le Mans 1967 gilt nach Meinung vieler als das Rennen des 20. Jahrhunderts. Und für Le Mans 2011 wird schon heute dasselbe Prädikat für das 21. Jahrhundert verwendet – es gehört jedenfalls viel dazu, die Dramaturgie des Duells zwischen Audi und Peugeot noch zu übertreffen.

Die Ausgangslage war klar: Peugeot wollte Revanche für die bittere Niederlage von 2010, als alle vier 908 ausfielen und am Ende drei Audi 15plus in 1-2-3-Formation über die Ziellinie fuhren. Durch eine Reglementänderung mussten beide Werksteams für Le Mans neue Autos entwickeln. Während der neue Peugeot 908 seinem Vorgänger äußerlich stark ähnelte, wechselte Audi vom offenen R15 zum R18 Coupé, und erstmals seit 2007 waren die Audi bei den Rundenzeiten auf Augenhöhe mit Peugeot.

Audi setzte wieder auf die drei Fahrerteams von 2010. Nach zwei Trainingstagen lagen die Zeiten der sechs Werkswagen von Audi und Peugeot innerhalb einer halben Sekunde, bei einer Rundenzeit von 3½ Minuten. Noch niemals in Le Mans ging es an der Spitze so eng zu. Im Rennen stand der Audi Nr. 2 mit den Vorjahreszweiten Marcel Fässler, André Lotterer und Benôit Tréluyer allerdings nach acht Stunden als einziges Auto des Teams vor der Mammutaufgabe, drei gleich schnelle Peugeot im Zaum zu halten, die beiden anderen Audi waren da nach zwei haarsträubenden Unfällen schon ausgefallen. Wie das noch relativ junge Team, das erst im Vorjahr von Audi engagiert worden war, über 16 Stunden mit dem Druck umging, die Unfälle der Kollegen wegsteckte und alle Angriffe der drei Peugeot abwehrte, war schon bewundernswert, zumal Audi dieses Mal nicht wie sonst einen Verbrauchsvorteil in die Waagschale werfen konnte.

(Anmerkung: Tatsächlich schaffte Peugeot im Normalfall mit einer Tankfüllung eine Runde mehr als Audi – 12 vs 11 Runden, in der Summe musste der siegreiche Audi 31mal an die Box, der zweitplatzierte Peugeot dagegen nur 28mal. Trotzdem war die gesamte Standzeit an der Box beim Audi – knapp 34 Minuten – um ca. 20 Sekunden kürzer, und das war kein Mirakel: Der Audi hätte mit vollem Tank bei Volllast 11,9 Runden geschafft, er musste dann folglich schon nach 11 Runden nachtanken, allerdings nicht die volle Menge. Daher waren seine Boxenstopps regelmäßig kürzer als bei Peugeot.)

Die beinharten Duelle vor allem am Sonntagvormittag gingen einige Male an den Rand der Fairness, aber am Ende siegte die Vernunft. In der Schlussphase ging es nur noch um zwei Fahrzeuge, um Lotterer im Audi und Pagenaud im einzigen Peugeot, der noch auf Tuchfühlung war. Noch in den letzten 30 Minuten war das Rennen nicht entschieden, als dem knapp führenden Lotterer wegen eines schleichenden Plattfußes noch ein Boxenstopp mit Reifenwechsel bevorstand. Dieser reduzierte seinen Vorsprung auf Pagenaud auf sechs Sekunden, am Ende waren es 14 Sekunden! Das siegreiche Trio wiederholte den hart erkämpften Sieg noch zwei weitere Male, 2012 und 2014 – Le Mans hatte ein neues Dream Team.

Le Mans 2011: Audi R18 TDI, Sieger (Fässler-Lotterer-Treluyer), Modell: Spark

Le Mans 2011: Audi vs Peugeot (Peugeot 908 als Zweiter, Modell von Spark)

Le Mans 2012: Audi R18, zweiter Sieg des Trios Lotterer-Fässler-Treluyer (Modell: Spark)

Le Mans 2014: dritter Sieg mit dem Audi R18 (Modell: Spark)

Übersicht:  Sportwagen-Piloten in Le Mans, Teilnahmen und Erfolge

Die Übersicht listet alle im Bericht (Teile 1 und 2) genannten Le Mans-Piloten mit ihren Le Mans-Teilnahmen und Erfolgen sowie mit ihren Teilnahmen und Erfolgen in der Formel 1-Weltmeisterschaft ab 1950 auf.

Modellangebot in 1:43

Eine Tabelle mit 1:43-Modellen (Stand 2021) zu den jeweiligen Stories kann hier aufgerufen werden. Dabei wird für jedes Fahrzeug allerdings in der Regel nur je ein vom Autor empfohlener Hersteller für das Segment Kleinserie und den Bereich Großserie (Diecast, Resincast) genannt.

Quellen:

Offizielle ACO Jahrbücher „Le Mans“ (Teissedre, Moity), ab 1978  /  Automobile Club de l´Ouest (Hrsg.), 24 Stunden von Le Mans, Die offizielle Chronik des berühmtesten Langstreckenrennens (2 Bände), Heel, 2010  /  Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1990-99, Evro Publ., Sherborne, 2014  / Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1980-89, Evro Publ., Sherborne, 2012  /  Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1970-79, Evro Publ., Sherborne, 2011  /  Brian Laban, Le Mans 24 Hours – The Complete Story oft he World´s Most Famous Motor Race, Virgin Books, London, 2001

sowie diverse Internet-Quellen

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