Zum Thema:
Der Schwerpunkt der Minerva-Webseite liegt zwar auf Rennsportwagen (Le Mans, Daytona, Mille Miglia usw.) und auf Modellen im Maßstab 1/43, ein kleiner Teil der Minerva-Modellautosammlung besteht darüber hinaus aber aus 1/43- und 1/87-Modellen von Autos der Nachkriegsepoche bis ca. 1959, die das damalige Straßenbild in Westdeutschland geprägt haben. Dazu gab es auf dieser Seite bereits drei Berichte:
(a) Westdeutschland im Jahr 1954 (PKW),
(b) Westdeutschland im Jahr 1957 (PKW),
(c) Deutsche Kleinwagen 1950-1959.
Im H0-Maßstab 1/87 entstand ein wachsendes Angebot an PKW der Adenauer-Ära erst im Verlauf der 1970er Jahre. Zuvor beschränkte sich „Wiking“, der dominierende Produzent von H0-Modellen in den 1950er und 1960er Jahren, weitgehend auf zeitaktuelle Autos, mit wenigen Ausnahmen (Jaguar XK 120). Ab Mitte der 1970er Jahre ergänzte dann eine neue Sparte „Oldtimer“ das normale Wiking-Programm, angefangen z.B. mit dem BMW 501 oder dem Opel Kapitän ´51. Der neue Konkurrent „Herpa“ (ab 1978) hatte in der Anfangszeit nur aktuelle PKW und LKW im Programm. Ab 1979 brachte „Model International Duve & Schultz“ (Walldorf), gegründet 1974, immerhin ein paar Metallbausätze von Oldtimern heraus (Goggo Coupé, Lloyd Alexander), allerdings nur in kleiner Serie. Eine Verbreiterung der Basis industriell gefertigter Oldtimer gelang erst mit der 1980 gegründeten Firma „Brekina“ (erste Modelle: Opel P4, DKW F7) und mit „Praline“ (Praline Walldorf H0-Serie) ab 1982.
Die Modellsammler, die nun in ein neues Thema einsteigen konnten, ebenso wie Modellbahner mit ihren Anlagen aus der Dampflokzeit, entdeckten natürlich gleich die großen Lücken, die Brekina, Praline und Wiking immer noch offen ließen, darunter insbesondere die vielen formal besonders interessanten und z.T. skurrilen Klein- und Kleinstwagen aus den Anfängen der westdeutschen Nachkriegs-Motorisierung – diese fanden keinen Eingang in die Programme der etablierten Modellhersteller.
Kein Wunder also, dass geschickte Bastler und Modellbauer „am heimischen Küchentisch“ versuchten, ihre 1/87-Sammlung mit Eigenbauten oder Umbauten vorhandener Modelle zu erweitern. Viele dieser Versuche beschränkten sich auf den eigenen Bedarf, aber um die Zeit 1979/80 entstanden auch kleine Serienproduktionen, die z.B. auf Modellbörsen vorgestellt und an Sammler verkauft wurden. Drei Modellbauer errangen über die 1980er Jahre mit ihren 1/87-Kleinserien-Produktionen von Autos der 1950er Jahre einen gewissen Bekanntheitsgrad.
Eberhard Schmidt (EMS Modelle) war wohl der erste unter den Modellbauern, die transparente Vollguss-Karosserien (Gießharz-Modelle) entwickelten und vermarkteten, das Sortiment bestand schwerpunktmäßig aus LKWs und Einsatzfahrzeugen (Feuerwehr), aber auch aus einigen PKW-Varianten: Lieferung der Modelle fertig lackiert oder nur grundiert, wobei die Fenster ausgespart wurden. Eine Innenraumgestaltung fehlte natürlich (Vollguss!). Bei der Duve-Modellbörse in Walldorf 1979, damals die größte Veranstaltung dieser Art in Deutschland, stellte Schmidt seine Modelle vor, darunter war auch ein Gießharz-Winzling von Reinhard Oestmann aus Liliental bei Bremen: Der Messerschmitt KR200 war sein erstes marktfähiges Modell und blieb mehrere Jahre sein wichtigstes Markenzeichen. Bei den Gießharz-Kleinwagen fielen die fehlenden Innenraumdetails kaum auf, und in diesem Segment konnten Lücken im 1/87-Angebot durch Modelle in hoher Ausführungsqualität nach und nach geschlossen werden. Als Dritter im Bunde kam genau bei dieser Veranstaltung Uwe Ganther dazu. Die drei Modellbauer bildeten nun quasi eine „Gießharz-Holding“, kooperierten für einige Jahre eng miteinander und traten auf Börsen gemeinsam auf. Ganthers erstes für Kunden angebotenes Modell war 1980 die Goggo Limousine. Wie es bei ihm und bei Oestmann dann weiterging, schildert Uwe Ganther in mehreren höchst interessanten Beiträgen auf den beiden folgenden Webseiten – unbedingt lesen!
„altemodellbahnen“ (→Forum) / „h0-modellbahnforum“
Oestmann verstarb dann leider 2012, aber Ganther kehrte nach ein paar Unterbrechungen immer mal wieder zu seiner alten Leidenschaft zurück. Die 1980er Jahre waren das bestimmende Jahrzehnt für die Gießharz-Modelle. Modellhersteller im Kleinserien-Segment arbeiten heute mit anderen Modellbau-Methoden. Besonders empfehlenswert sind u.a. „Saller“ (Fertigmodelle), „Artitec“ (Fertigmodelle und Bausätze), „Weinert“ (LKW) und „HSA“ (Resine-Kits), wobei sich Saller und HSA besonders mit dem Kleinwagen-Segment befassen.
Sensation 2025: Wiking stellt erstmals ein Modell im Maßstab 1/72 vor, verkauft es aber unter dem Maßstab 1/87! (Immerhin: Die Räder des Lloyd LT500 folgen wiederum dem Maßstab 1/87). Unten der Vergleich des neuen Wiking-Modells (nachgerüstet mit passenden Rädern) mit dem maßstabgerechten Oestmann-Lloyd