Ferrari Testa Rosso V12 – die letzten Frontmotor-Sportwagen aus Maranello (Teil 2)

Vom 250 Testa Rossa bis zum 330 TRI/LM – 1957 bis 1963

Ein Bericht in zwei Teilen: Teil 1 (1957-1959) kann hier aufgerufen werden, Teil 2 (1960-1962) folgt hier.

1960: Mit dem Schritt ins neue Jahrzehnt änderte sich bei Ferraris Renneinsätzen in der Sportwagen-WM zunächst nur wenig. Drei TR59 der Saison 1959 wurden etwas verändert (siehe unten) und erhielten den neuen Namen TR60 oder TR59/60 (Fahrzeuge 0770, 0772 und 0774). Hinzu kamen zwei Neubauten mit unabhängiger hinterer Radaufhängung: TRI60 (Nr. 0780 und 0782).

Der Titelverteidiger Aston Martin trat werkseitig nicht mehr an. Die stärksten Konkurrenten waren nun der neue Maserati Tipo 61 („Birdcage“) des Camoradi-Teams und der weiterentwickelte Porsche 718, der als „RS60“ antrat, mit dem 1,6 Liter-Motor aber immer noch leistungsmäßig unterlegen war. In Le Mans kamen noch der neue Prototyp von Jaguar (E2a) und der mit starken Piloten (Clark, Salvadori) besetzte Aston Martin DBR des Border Reivers Teams hinzu. Das über die Saison schnellste Auto der WM war der Camoradi-Maserati – er fuhr regelmäßig die schnellste Rennrunde, fiel aber meist technischen Defekten zum Opfer: Bei neun Einsätzen in den fünf Rennen der WM fielen die Camoradi-Maserati siebenmal aus.

So hätte Ferrari bei der Titelvergabe eigentlich leichtes Spiel haben können. Aber nach vier Rennen, vor dem Saisonfinale in Le Mans, lag man in der WM-Wertung hinter Porsche: 18 zu 22 Punkte, 5 gegen 6 Podestplätze, ein Sieg gegen zwei Porsche-Erfolge. Nach dem Doppelsieg des TR60 in Buenos Aires folgten drei Niederlagen: Sebring ging an Porsche, da Ferrari aufgrund eines Streits über die zu verwendende Benzinmarke nur ein Werksauto an den Start brachte (gemeldet vom North American Racing Team „NART“). Und bei der Targa Florio fiel der einzige gestartete Werks-TR60 aus, und der Ferrari 246S Dino (mit Sechszylindermotor) musste sich dem besten Porsche RS60 beugen. Und auch am Nürburgring konnte Ferrari nicht gewinnen: Hier kam der von Moss und Gurney herausragend besetzte Maserati endlich einmal ins Ziel – auf Position 1!

Erst mit Ferraris Doppelsieg in Le Mans, zusammen mit dem Totalausfall der Konkurrenz (Porsche, Jaguar, Maserati), schaffte Maranello am Ende Punktgleichstand mit Porsche, und aufgrund der besseren „Streichresultate“ (gewertet wurden die besten drei Ergebnisse aus fünf Rennen) wurde Ferrari der Titel zuerkannt.

Zur WM-Saison 1960 siehe auch: Übersicht 1960

Wichtigstes optisches Unterscheidungsmerkmal zwischen dem TR59 und dem TR60 war die 25cm hohe Windschutzscheibe, die 1960 vom FIA-Reglement vorgeschrieben wurde – sehr zum Leidwesen der Piloten, da die Wischertechnik damals bei hohem Tempo noch unzureichend war und man zusätzlich mit beschlagenen Scheiben zu kämpfen hatte. Und der Aerodynamik tat ein solches Windschild natürlich auch nicht gut. Die TR60 hatten nun Trockensumpfschmierung und entweder eine DeDion-Hinterachse (TR60) oder eine unabhängige Hinterradaufhängung (TRI60). Der TRI60 mit der Nummer 0780, von dem noch die Rede sein wird, trat erstmals beim Le Mans Vortraining auf und startete dann dort mit der Nr. 10 (keine Zielankunft).

Modelle, 250TR60: Diecast-Modelle von IXO und Jolly, Kleinserienmodelle bzw. Bausätze von Renaissance und Starter (ganz früher von John Day). Ein Resincast-Modell aktueller Qualität fehlt leider immer noch (Stand 2024).

1960: Ferrari 250TR und die wichtigsten Konkurrenten

Ferrari 250TR, Le Mans-Sieger 1960 (Starter)

Aston Martin DBR1, Le Mans 1960 (Spark)

Porsche RS60, Targa Florio-Sieger 1960 (Starter)

1961: Für Ferrari und seine beiden Chefingenieure Carlo Chiti und Giotto Bizzarrini stand Ende 1960 fest, dass bei den Rennsportwagen aus Maranello eine Runderneuerung erforderlich war. Der 250TR hatte zwar immer noch einen deutlichen Leistungsvorsprung vor der Konkurrenz, aber in seiner Form von 1960 die Aerodynamik einer Litfaßsäule, z.B. im Vergleich zu den in Le Mans eingesetzten Aero-Versionen des Maserati T61, des Porsche 718RSK oder des Jaguar E2a, mit dessen Einsatz in der WM 1961 zu rechnen war. Darüber hinaus ging die Epoche der traditionellen Frontmotor-Sportwagen nach dem allgemeinen Wechsel der Formel 1 zum Mittelmotorkonzept bei Ferrari zu Ende, jedenfalls bei den Rennsportwagen (und dem Formel 1-Ferrari 1961). So standen für die Sportwagen-WM zwei Projekte auf der Agenda von Chiti/Bizzarrini: (a) Entwicklung eines Mittelmotor-Rennsportwagens, und (b) aerodynamische Verbesserungen des 250 Testa Rossa.

Der neue Mittelmotor-Ferrari entstand auf der technischen Basis des bisherigen 246S Dino mit dem vorn eingebauten 2,4 Liter-V6 Motor. Der 246SP erhielt für die neue Saison dieselbe Aero-Package wie der Testa Rossa, der nun „TRI/61“ genannt wurde („I“ für die unabhängige hintere Radaufhängung). Das Chassis erhielt nun gegenüber den älteren TR-Modellen einen Rahmen, der Elemente einer Gitterrohrstruktur aufwies („Spaceframe“). Die neue Form der wieder bei Fantuzzi gebauten Karosserie entstand erstmals bei Ferrari unter Nutzung eines Windkanals, sie hatte weiterhin die FIA-Regel der 25cm hohen Frontscheibe zu beachten und schaffte trotz dieses Handicaps eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahresmodell. Hinzu kam als Ergebnis von Testfahrten der erste „Heckspoiler“ der Renngeschichte, ursprünglich mit dem Ziel, die Auspuffgase von Cockpit und Fahrer fernzuhalten – ein Phänomen, das durch das Abrissheck („Kamm“-Heck) provoziert wurde. Der Spoiler löste dann nicht nur dieses Problem, er trug auch zu höherer Fahrstabilität bei, ohne dass man damals schon die Zusammenhänge zwischen Spoiler, Anpressdruck („Downforce“) und Straßenlage durchschaute. Charakteristische Merkmale der beiden Neuentwicklungen waren also die hohe Heckpartie mit dem Kamm-Heck und dem Spoiler sowie die „Chiti“-Front mit zwei Grillöffnungen („Sharknose“), ebenfalls ein Resultat des Windkanals.

Für die Saison 1961 baute Ferrari zwei neue TRI/61 (Nr. 0792 und 0794). Der dritte Werkswagen mit Frontmotor, ursprünglich der TRI/60 (Nr. 0780) von 1960, wurde schrittweise umgebaut: In Sebring und bei der Targa Florio hatte das Auto bereits die neue Heckpartie, aber noch die Front des Vorjahresautos, ab Mai (Nürburgring) erhielt die Frontpartie dann das neue „Sharknose“-Design – der Ferrari Nr. 0780 war von den beiden Neubauten nun nur noch durch die Form der seitlichen Lüftungsöffnungen zu unterscheiden. Technisch änderte sich gegenüber 1960 (TRI60) relativ wenig, der Motor verfügte nun über etwas mehr Leistung (315 PS).

Mit dieser Doppelstrategie (TRI/61 und 246SP) war Ferrari 1961 gut gerüstet und gewann am Ende vier der fünf WM-Läufe, nur am Nürburgring siegte wie im Vorjahr der Maserati T61. Drei der vier Erfolge gingen an den TRI/61. Eine Saisonübersicht der Ferrari-Einsätze kann hier aufgerufen werden. Ferrari holte insgesamt 10 Podiumsplätze (Porsche drei, Maserati zwei), war also auch in der Dichte überlegen. Erfolgreichster Pilot war Olivier Gendebien mit drei WM-Siegen, darunter in Le Mans zusammen mit Phil Hill. Nach zwei eher durchwachsenen Jahren 1959/1960 war Maranello also wieder in der Erfolgsspur.

Am Ende des Jahres traten die Nr. 0792 (Scuderia Serenissima) und 0794 (NART) noch in einigen Rennen in den USA, Kanada und in Nassau (Bahamas) an, hier ohne die von der FIA geforderte hohe Frontscheibe und entsprechend mit einer flacheren Heckpartie.

Modelle des TRI/61, Saison 1961 (in 1/43), Werkswagen 0792, 0794: IXO (Altaya, FMC), Look Smart, Starter, Renaissance, Red Line; Werkswagen 0780, Sebring: Renaissance, Look Smart / Nürburgring, Le Mans: Renaissance, Starter / Pescara: Renaissance, FRC (Ferrari Racing Collection)

Anmerkungen zum 250 TRI/61 (Nr. 0780), Sieger in Pescara 1961 (Bandini-Scarlatti, Scuderia Centro Sud)

Ferrari 250TRI/61, Pescara 1961, Sieger (Ferrari Racing Collection)

Dieses Auto war vermutlich der Testa Rossa mit der interessantesten Karriere. Es war erstmals beim Le Mans Vortraining und bei der Targa Florio im Frühjahr 1960 zu sehen, dort und in Le Mans natürlich noch in der Form des 1960er TR-Jahrgangs, aber als Neuerung mit einer unabhängigen Radaufhängung an der Hinterachse. In Le Mans startete die 0780 mit der Nr. 10 (Mairesse-Ginther) und schied dort aus. Die Einsätze 1961 können der bereits genannten Saisonübersicht entnommen werden. Das Auto nahm an allen fünf WM-Läufen teil, ab Mai (Nürburgring) mit der endgültigen, von Chiti entwickelten Form. In Sebring (Platz 2) und bei der Targa Florio (Ausfall) fuhr dieser TRI als Werkseinsatz, danach am Nürburgring und in Le Mans als Einsatz des NART-Teams (jeweils Platz 2). Und zum Saisonabschluss holte die 0780 den dritten Saisonsieg eines 250TRI/61, und zwar in Pescara, eingesetzt von der Scuderia Centro Sud. Die 4 Stunden von Pescara waren im Übrigen das letzte aller Rennen der klassischen Sportwagen-WM (1953 bis 1961), insofern hat der Sieg dort eine besondere historische Bedeutung.

1962/63 erfuhr die Geschichte dieses Autos dann noch eine Fortsetzung, jedenfalls nach der Aussage der meisten Quellen. Mehr dazu hier im Folgenden.

Modelle der Nr. 0780 (1961) in 1/43: Der Pescara-Sieger wird (Stand 2024) als Bausatz von Renaissance und als Diecast im Rahmen der Ferrari Racing Collection (FRC) angeboten, das Le Mans-Auto war neben Renaissance auch von Starter erhältlich. Das Renaissance-Modell kostet als Bausatz zwischen 90 und 120 € und als Fertigmodell knapp 200 € und mehr, das FRC-Modell, das bei IXO entwickelt wurde, ist dagegen schon für unter 20 € erhältlich, daher wäre eine Modellkritik des FRC-Ferrari gemessen am Renaissance-Modell unfair.

Ferrari TRI/61, Modell in 1/43 von FRC (Ferrari Racing Collection): Das FRC-Modell entspricht einem routinierten Diecast-Standard a la IXO. Maßstabtreue, Form und Lackierung sind absolut in Ordnung, ebenso die Cockpit-Gestaltung oder die unter der vorderen Plexi-Abdeckung sichtbare Batterie der Vergaser-Ansaugstutzen. Die Schwächen preisgünstiger Großserien-Diecasts sind bekannt: Die Speichenräder sind relativ simpel, hier sollte man nochmal 15-20 € in schöne BBR-Speichenräder investieren (bitte dann in Alusilber lackieren). Und in der Teilebox des Modellbauers findet sich sicher auch noch ein kleiner geätzter Scheibenwischer. Die Scheiben (und der Fliegenabweiser) sind wie üblich etwas zu dick, aber sehr klar, und die Auspuffanlage müsste sich näher an die Karosserie „schmiegen“ (das kann man leicht ändern). Ein anderer Fehler ist leider nicht zu korrigieren: Der Motor war – siehe oben – leicht nach Backbord versetzt eingebaut, beim FRC-Modell ist dies übersehen worden. Trotzdem: Wer bei seiner Ferrari-Sammlung etwas auf die Kosten achten muss oder das Pescara-Auto nur als Ergänzung z.B. zum Le Mans-Siegerauto kaufen möchte, ist mit dem FRC-Modell ganz gut bedient.

Ferrari 250TRI/61, Le Mans-Sieger 1961 (Starter)

rechts: Maserati T63, Le Mans 1961 (Manou)

Ferrari 246SP, Targa Florio-Sieger 1961 (John Day)

Porsche RS61, Targa Florio 1961 (Moss), Modell von Spark

Zur WM-Saison 1961 siehe auch: Übersicht 1961

1962: 1961 endete die erste Nachkriegs-Periode des Sportwagen-Motorsports, die seit 1953 neun Weltmeisterschaften umfasste, von denen Ferrari sieben gewann. Für die Jahre ab 1962 verfolgte die „CSI“ (Motorsportbehörde der FIA) einen neuen Schwerpunkt: Die Position der Grand Tourisme-Autos sollte auf Kosten der reinen Sportwagen gestärkt werden. Die Marken-WM war nun für GTs ausgeschrieben, deren Zulassung („Homologation“) auf einer zumindest kleinen Anzahl käuflicher Straßenfahrzeuge basierte. Sportwagen ohne Nachweis einer produzierten Mindeststückzahl sollten damit an den Rand gedrängt und nur im Übergangsjahr 1962 bei einer Auswahl von Rennen zugelassen werden – ohne Meisterschaft mit WM-Prädikat. Schließlich setzte sich aber der Wunsch von Herstellern und Rennteams sowie der Rennsportfreunde durch: In den wichtigsten Rennen, die bisher das Rückgrat der Sportwagen-WM bildeten, waren auch „Sportwagen“ zugelassen. In Le Mans wurden diese allerdings ausgeschlossen. Auf Betreiben des ACO wurde für Le Mans neben der GT-Kategorie eine Kategorie „Prototypen“ eingeführt – Sportwagen (auch Einzelexemplare) mit einem Mindestmaß an Ausstattungen des Alltagsverkehrs (Lichtanlage, Kofferraum, Reserverad, vollwertige Frontscheibe usw.). Bei den Prototypen lag die Hubraumgrenze bei 4 Litern und nicht bei den für Sportwagen weiterhin gültigen 3 Litern. So nahmen an den wichtigsten Langstreckenrennen des Jahres (Sebring, Targa Florio, Nürburgring, Le Mans) Autos aller drei Kategorien teil (bzw. zweier Kategorien in Le Mans) und bewarben sich um die neue Trophäe „Challenge Mondial“ (siehe unten, Übersicht zur Saison 1962).

Die neuen Regelungen waren, gerade für das Publikum, komplexer als bis 1961, aber welche Kategorien 1962 auch immer am Start waren – Ferrari war auf jeden Fall gut gerüstet. Man setzte die seit 1961 bestehende Dominanz in der Sportwagenszene fort, obwohl es 1961/62 zu einem dramatischen Umbruch bei den technischen Führungskräften kam – Chiti und Bizzarrini mussten gehen, neuer Chefingenieur wurde der junge Mauro Forghieri. Bei den GTs räumte der neue 250GTO, wiederum vom klassischen 3-Liter Colombo V12 angetrieben, alles ab und gewann überlegen die Weltmeisterschaft. Die Sportwagen-Kategorie sah die 1961 eingeführten Mittelmotor-Ferraris am Start: 246SP, 196SP und 268SP unterschieden sich nur durch die eingebauten Motoren. Als Sportwagen durften sie nun überall (außer in Le Mans) mit einer flacheren Scheibe starten, was der Linie der Autos zu Gute kam. Außerdem waren 1962 noch die Frontmotor-250TRI des Vorjahres als Privateinsätze in der Sportwagen-Klasse am Start, auch diese nun meist mit einer flacheren, gestreckten Karosserie.

Wer allerdings in Le Mans gewinnen wollte, musste sich in der Prototypen-Klasse bewerben. Auch hier konnte Ferrari ins eigene Regal greifen: Der 1960 vorgestellte Typ 400SA („Superamerika“) hatte genau den passenden 4-Liter V12 Motor, maßgeschneidert für die neue Kategorie – und wiederum eine Weiterentwicklung des damals schon legendären Colombo-Grunddesigns. Der Vierliter-Motor wurde neben dem Dreiliter-V12 Ferraris Standardaggregat für die gesamten Sportwagen-Einsätze bis 1967: 77 x 71mm = 3967ccm Hubraum, Leistung im 400SA Straßensportwagen 340 PS. Für diesen Motor stellte man bei Ferrari zwei Fahrzeuge für die Rennsporteinsätze auf die Beine: Zwei 250GTO erhielten den größeren Motor und traten als „330GT“ in der Prototypenklasse an (das „O“ für „Omologato“ sollte hier fehlen, da die Zulassung als Grand Tourisme nur mit dem Dreilitermotor galt). Und für den Nachfolger des 250TRI/61 wurde das Chassis 0780, das noch aus dem Jahr 1960 stammte und auch 1961 eingesetzt wurde, entsprechend umgebaut, um den größeren Vierliter-V12 aufzunehmen.* Das war der 330TRI/LM, ein Einzelexemplar, das dann 1962 seiner Bestimmung gerecht wurde: Triumph in Le Mans, gleichzeitig bis heute (2024) letzter Sieg eines Frontmotor-Sportwagens beim 24 Stundenrennen.

(* Dies ist die Version in den meisten einschlägigen Quellen. In einer Quelle – ultimatecarpage von 2010 – wird allerdings gesagt, dass das Chassis für den 330TRI/LM 1962 gänzlich neu entstand.)

4 Liter-Ferraris in Le Mans 1962: links 330GT, ausgefallen (Red Line), rechts: 330TRI/LM, Le Mans-Sieger (BAM made by Starter)

Ferrari 246SP, Targa Florio 1962, Sieger (Art Model)

links: Ferrari 268SP Le Mans 1962 (Jielge)

Ferraris Saisonbilanz war tatsächlich beeindruckend: Vier Siege in den vier klassischen Endurance-Rennen und neun von 12 Podiumsplätzen (drei für Porsche) gingen an Maranello, alle Titel für GTs und Sportwagen/Prototypen der oberen Hubraumkategorie wurden gewonnen. An den Erfolgen waren sechs verschiedene Baureihen beteiligt: Ein 250TRI des Vorjahres (Nr. 0792, der Sebring-Sieger 1961) gewann in Sebring (Privateinsatz, gemeldet von der Scuderia Republica di Venezia), Targa Florio und Nürburgring gingen an den 246SP und in Le Mans siegte der 330TRI/LM. Podiumsplätze erreichten 1962 außerdem der Ferrari 250GTO, der 196SP und der 330GT. Bei drei der vier Rennen saß Olivier Gendebien im Siegerauto, er war der „Fahrer des Jahres“. Keiner der Konkurrenten (Maserati, Aston Martin, Porsche) agierte auf Augenhöhe. Porsche konnte – möglicherweise aufgrund der Doppelbelastung Formel 1 und Sportwagen – auch mit dem neuen 2-Liter Achtzylinder (Typ 718/8) nicht an die Erfolge von 1959/60 anknüpfen.

Maserati T151, Le Mans 1962 (Manou)

Porsche 718/8 GTR, Targa Florio 1962, Platz 3 (Spark)

Nr. 18: Ferrari 250TRI/61, Le Mans 1962 (NART), Modell: Starter

Zur WM-Saison 1962 siehe auch: Übersicht 1962

Ferrari 330TRI/LM, Zahlen und Daten: V12-Motor (Leichtmetall) vorn, 3967ccm Hubraum, 390 PS (7500 U/min), 1 obenliegende Nockenwelle pro Zylinderreihe, 6 Doppelvergaser, 2 Ventile/Zylinder, Trockensumpfschmierung. Fünfganggetriebe an der Hinterachse. Fantuzzi-Karosserie (Aluminium) auf Stahlrohrrahmen, unabhängige Radaufhängung hinten, Scheibenbremsen. Leergewicht 820kg, Radstand 2,40m, L x B 4,52m x 1,59m.

Der 330TRI/LM erschien erstmals beim Le Mans-Testtag im April 1962 (Startnummer 14), ein 1/43-Modell wird von Jolly Models angeboten. Im Rennen war er – insbesondere nach dem frühen Aus des 330GT – das überlegene Fahrzeug, das allerdings von seinen erfahrenen Piloten Gendebien und Phil Hill mit Glacéhandschuhen um den Kurs getragen werden musste, um ihn ins Ziel zu bringen: Die Mission wurde erfüllt, der Belgier holte sich seinen vierten Le Mans-Sieg und Phil Hill seinen dritten. Die einzige ernsthafte Gegenwehr kam von den brillanten Rodriguez-Brüdern im Werks-246SP, der aber in der 14. Stunde ausfiel.

In Le Mans waren auch zwei 250TRI des Vorjahres von Privatteams gemeldet. Die Nr. 0792, der Sieger von Sebring 1962 (Scuderia Republica di Venezia), fiel mit dem starken Team Gurney und Bonnier aus. Das Auto kam nach dem Sebring-Einsatz in der „Sportwagen“-Kategorie (mit flacher Scheibe und flacher Heckpartie) nach Le Mans als „Prototyp“ wieder mit der erforderlichen hohen Scheibe und der dazu passenden hohen Heckpartie. Das zweite Auto, die von NART gemeldete Nr. 0794, war in Le Mans mit Fulp und Ryan besetzt. Nach dem Einsatz in Sebring (Moss und Ireland), mit roter Karosserie und als „Sportwagen“, kam das NART-Auto in blaumetallic nach Le Mans, hatte auch hier als Prototyp die flache Heckpartie mit einem schmalen Überrollbügel hinter den beiden Sitzen, aber die notwendige hohe Frontscheibe. Auch dieser Ferrari fiel in Le Mans aus.

Der 330TRI/LM (Nr. 0808) blieb ein Unikat. Nach Le Mans wurde das Auto an Luigi Chinetti vom North American Racing Team (NART) verkauft und Ende 1962 in kürzeren Rennen in den USA (Bridgehampton), Kanada (Mosport) und auf den Bahamas (Nassau) eingesetzt, Piloten waren Pedro Rodriguez (Sieg in Bridgehampton) und Maston Gregory (Bahamas). Hier fuhr das Auto wieder in der Sportwagen-Kategorie mit flacher Frontscheibe, und der große Aero-Bügel des Le Mans-Autos wurde durch einen kleinen Überrollbügel hinter dem Fahrer ersetzt.

Modelle des 330TRI/LM, Le Mans 1962 (in 1/43), Werkswagen 0808: BAM/Starter, Renaissance, Look Smart, FRC (IXO), ältere Modelle von Western Models und John Day. Einsätze von Privatteams Ende 1962: Renaissance

Modelle des 250TRI/61, Saison 1962 (in 1/43): 0792 (Scuderia Venezia) von Renaissance (Sebring und Le Mans), Look Smart (Sebring), Faenza43 (Le Mans), Starter (Le Mans). 0794 (NART, in Le Mans) von Starter, Look Smart, Renaissance.

1963: Mit dem Einsatz des 330TRI/LM in Le Mans 1962 endete die Geschichte der Testa Rossa-Baureihe für das Ferrari-Werk. 1963 bildete der 250P, die neue Entwicklung von Mauro Forghieri, die Speerspitze der Werkseinsätze, er verband das nun endgültig dominierende Mittelmotor-Konzept mit dem klassischen und über viele Jahre erfolgreichen Colombo-V12, zunächst mit drei Litern Hubraum, später mit 3,3 bzw. 4,0 Litern (1964: 275P, 330P, 250LM / 1965: 275P2, 330P2, 250LM / 1966: 330P3 / und 1967 als Krönung: 330P4): Das war die legendäre „P-Reihe“ von V12-Prototypen, die Ferrari bis 1967 einsetzte und die Maranello in vier der fünf Saisons der Periode 1963-1967 Siege und Titel bescherte (nur 1966 ging der WM-Titel an Ford).

1963 holte der 250P drei Siege in den vier klassischen Endurance-Rennen (Sebring, Targa Florio, Nürburgring, Le Mans) des „Challenge Mondial“ Pokals, nur die Targa Florio ging an Porsche, dort fielen die beiden 250P aus. Ferrari war 1963 also wieder der absolute Dominator der Sportwagen-Szene, mit 10 von 12 Podiumsplätzen in den vier genannten Rennen und dem erneuten Gewinn der GT-Weltmeisterschaft mit dem 250GTO. Neben dem 250P und dem 250GTO setzte Ferrari in Le Mans auch noch eine Berlinetta mit dem 4-Liter V12-Motor als Frontmotor-Prototyp ein, der eigentlich optisch eher einem GT entsprach. Der 330LMB konnte aber nicht überzeugen und wurde vom Werk auch nicht mehr eingesetzt (siehe Bericht auf dieser Webseite).

Ferrari 330LMB, Le Mans 1963, Gurney-Hall (ausgeschieden), Modell: Starter

Immerhin: Zwei der Podiumsplätze der klassischen Rennen gingen am Ende noch einmal an die Frontmotor-Prototypen der abgelaufenen Ära: Platz 3 in Sebring durch Chinettis 330TRI/LM (NART, Nr. 0808, Pedro Rodriguez und Graham Hill), der als Prototyp dort wieder mit der hohen Frontscheibe startete, aber ohne den großen Aero-Bügel des Le Mans-Autos, stattdessen mit einem kleinen Überrollbügel. Und am Nürburgring holte der von der Scuderia Serenissima eingesetzte 250TRI (0792) ebenfalls den dritten Platz, als Prototyp mit Aero-Bügel und flachem Heck. (Dieses Auto holte in Reims beim 200 km-Rennen Ende Juni sogar den Sieg mit Abate am Steuer.)

Ein letztes Mal startete mit dem NART 330TRI/LM ein Testa Rossa in Le Mans (ohne Zielankunft), mit Pedro Rodriguez und Roger Penske am Steuer – ja, das ist der Leiter des Penske-Teams 2023/2024, das die neuen Porsche 963 in der WEC einsetzt, 60 Jahre danach! Die schnellste Trainingsrunde von Rodriguez vor allen 250P-Werkswagen war das letzte Ausrufezeichen beim Abschied des Testa Rossa von der großen Bühne.

Modelle des NART 330TRI/LM, Sebring und Le Mans 1963 (in 1/43): BAM-Starter, Renaissance, Red Line (nur Le Mans)

Ferrari 250P, Le Mans-Sieger 1963 (BAM-X), Modell von 1985

Ferrari 330TRI/LM (NART), Sebring 1963, Platz 3, BAM-Starter

Quellen:

Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1960-69, Haynes Publ., Sparkford 2010  /  Quentin Spurring, Le Mans The Official History of the World´s Greatest Motor Race, 1949-59, Haynes Publ., Sparkford 2011  / M. Clarke, David Owen, Targa Florio – The Porsche & Ferrari Years 1955-1964, Brooklands Books, Cobham o. J.  /  Dean Bachelor, Ferrari – The Early Spyders & Competition Roadsters, db Publications, Incline Village 1975  /  Warren W. Fitzgerald, Richard F. Merritt, Jonathan Thompson, Ferrari – The Sports and Gran Turismo Cars, CBS Publications, 3rd Edition, o. O. 1976  /  Antoine Prunet, Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1983  /  Dominique Pascal, Ferraris at Le Mans, Haynes Publ., Sparkford 1986

Webseiten: ultimatecarpage  /  racingsportscars  /  wsrp.ic.cz  /  lm24database (1/43-Modelle in Le Mans)

 

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