Le Mans 2004: Audi R8 immer noch eine Klasse für sich – Zwölfter Besuch des Rennens

Bericht von 2014

Wie in den Jahren 2000 bis 2002 stand Le Mans auch 2004 ganz im Zeichen des Audi R8, des erfolgreichsten Rennsportwagens seit der Gruppe C-Dominanz des Porsche 956/962.

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Le Mans 2004 – Programm

Kein anderes Werks- oder Privatteam konnte die Ingolstädter in diesen Jahren auch nur annähernd herausfordern – zumindest gilt dies für Le Mans, wo die Qualität des R8 mit der riesigen Le Mans-Erfahrung des Joest Teams zusammentraf.

Die Siegesserie des R8, die noch bis 2005 anhalten sollte, wurde nur 2003 durch Bentley unterbrochen, als man im VW-Konzern den Audi-Einsatz den Privatteams Champion, Audi UK und Team Goh überlies und alle Weichen auf einen Gesamtsieg der konzerneigenen Marke Bentley stellte, mit kräftiger Hilfe des Audi-Personals und von einigen Joest-Leuten. So kam es nach 73 Jahren wieder zu einem Bentley-Sieg (sowie Platz 2), den Teams von Champion und Goh blieben nur die Plätze 3 und 4, und Tom Kristensen konnte seine Serie von drei aufeinander folgenden Siegen für Audi mit einem weiteren Erfolg – dieses Mal in British racing green – fortsetzen.

Der Däne kam 2004 also nach Le Mans mit dem Ziel, Jacky Ickx´ Rekord von sechs Le Mans-Erfolgen einzustellen. Allerdings war die Bentley-Revival Episode der Jahre 2001 bis 2003 schon wieder Geschichte, und ein neuer starker Konkurrent für Audi war immer noch nicht in Sicht. So konnte Audi dort wieder auf die bewährten Privatteams bauen: Champion Racing aus den USA, Team Goh aus Japan und Audi UK (Team Veloqx) aus dem Vereinigten Königreich, letztere mit der Empfehlung zweier Erfolge bei den ersten Endurance-Prüfungen des Jahres in Sebring und Monza.

Das Minerva-Team, das im Juni 2004 mit seinem Wohnmobil in Richtung Le Mans startete, konnte also wie schon 2000 und 2002 keine große Spannung bei der Frage erwarten, welche Marke wohl den Gesamtsieg holen würde. Allerdings blieb ungewiss, welches der drei Audi-Privatteams am Ende die Nase vorn haben würde. HH und GB gehörten wieder zur Stammbesetzung, hinzu kamen HGB, SG und FG. Le Mans-Experte HP musste aus gesundheitlichen Gründen erneut passen.

Der Bruch mit der Gewohnheit, die 1300 km Anreise in zwei Etappen zu teilen und unterwegs auf einem Campingplatz zu übernachten, führte leider zu einem ärgerlichen Vorfall: Dieses Mal übernachteten wir auf einem holländischen Autobahnparkplatz und wurden früh morgens von der Polizei geweckt – Einbrecher hatten die vordere Seitenscheibe entfernt und persönliche Sachen vom Fahrersitz mitgehen lassen, ohne dass wir – immerhin fünf Leute – irgendetwas gemerkt haben. Glück im Unglück: Wir blieben unversehrt, die entwendeten Sachen hatten keinen besonderen Wert, und die Scheibe konnte auf unserer Rückfahrt in Chartres innerhalb von zwei Stunden wieder eingebaut werden. Jedenfalls sind Parkplatz-Übernachtungen auf unseren Le Mans-Fahrten seitdem tabu!

Mit der Ankunft in Le Mans war der Schrecken des vergangenen Morgens aber schon wieder verdrängt, und parallel dazu kam Vorfreude auf die kommenden Tage auf – wie bei unseren Fahrten zuvor mit einem festen Ablauf, angefangen mit dem Welcome Center, wo wir die beim ACO bestellten Tickets bekamen. Dann: Stellplatz für das WoMo suchen und einrichten, und danach ein erster schöner, sommerlicher Grillabend.

2004 standen wir zum ersten Mal auf dem Camping Areal „Bleu Nord“, außerhalb des Rennkurses, etwa gegenüber der Ford-Schikane kurz vor Start und Ziel. Der bei unseren Le Mans-Besuchen 1998 und 2000 bevorzugte Platz „La Chapelle“ bot ab 2002 mit der neuen Streckenführung zwischen Dunlop-Bogen und den „Esses“ nur noch wenige WoMo-Plätze und war bereits ausverkauft. „Bleu Nord“ liegt aber ebenso nah an der Strecke, zumal, wenn man mit einem Fahrrad mobil ist. Seit ein paar Jahren werden die Plätze dort von Ordnern zugewiesen und sind in ihren Ausmaßen genau bestimmt, das war 2004 noch nicht der Fall. Aber wir waren bereits am Dienstag vor Ort und fanden noch viele freie Plätze vor.

Natürlich stand auch wieder ein Besuch in Le Mans auf der Agenda, 2004 noch etwas mühselig mit normalen Stadtbussen, kurz danach war das mit der Tram deutlich besser geregelt. Ein Gang durch die historische Altstadt (Quartier Medieval) mit Kathedrale und schönem Mittagessen auf dem Place Saint Pierre, Besuch des Modellautoladens „Manou“ und Freitagnachmittag zur Fahrerparade in der Innenstadt – alles bereits schöne Gewohnheiten, die zur Vorfreude auf die Trainings- und Renntage beitrugen.

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Der alte Rennkurs bei „Maison Blanche“ – hier im Jahr 2004

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Ausfahrt Boxengasse – noch ist alles ruhig…

Das erste Training am Mittwoch brachte dann bereits eine Überraschung, als der neue Zytek mit David Brabham am Steuer – eigentlich ein nur wenig aufgerüstetes LMP2-Fahrzeug – vor allen Audis die schnellste Zeit fuhr. Am Donnerstag wurde die erwartete Hierarchie dann aber halbwegs wieder zurechtgerückt – Audi UK auf den Plätzen 1 und 2, dann der Zytek und hinter dem Team Goh Audi auf Platz 5 der neue Pescarolo C60, der nun nicht mehr mit Peugeot-Motor, sondern mit dem stärkeren Judd-Motor ausgerüstet war. Sebastien Bourdais kam damit bis auf 1,5 Sekunden an die Top-Zeit von Johnny Herbert heran – war das ein neuer Geheimtipp? Spannung versprach jedenfalls die GTS-Klasse, wo sich Ferrari (550 Maranello, Pro Drive Team) und Chevrolet (Corvette C5R) schon im Training auf Augenhöhe gegenüber standen.

Die Trainingssitzungen sahen wir überwiegend auf besonders attraktiven Tribünen, die alle am Mittwoch und Donnerstag frei zugänglich sind. Besonders zu empfehlen sind u.a. die Tribünen am Dunlop-S oder an der Ford Schikane, beide an den Renntagen entsprechend teuer und bereits früh ausverkauft. Am Samstag verfolgten wir die Stunden vor dem Start und die erste Rennphase dann auf unseren reservierten Plätzen der Boxentribüne („Stands“) und gingen danach an verschiedene Stellen der Rennstecke zwischen Tertre Rouge und den Porsche-Kurven – man sollte in Le Mans nicht an einer Stelle „kleben“ bleiben.

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Blick von der Tribüne „Dunlop“

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Samstag – 2 Stunden vor dem Rennstart

Die erste Rennstunde schien unsere Erwartungen zunächst zu bestätigen: Audi fuhr in einer eigenen Liga, allen voran Davies und McNish mit den beiden britischen Audis, und weder die beiden Pescarolo noch der Zytek gingen das Tempo mit. Aber schon nach knapp zwei Stunden wurde diese feste Ordnung gesprengt, als McNish und Lehto mit dem Champion Audi in den Porsche-Kurven auf eine Ölspur gerieten und im Paarlauf in die Reifenstapel krachten. Der Champion Audi kam leicht beschädigt an die Box, wurde in 30 Minuten wieder instand gesetzt und schaffte am Ende einer 22stündigen Aufholjagd noch Platz 3. Der Veloqx-Audi von McNish schien dagegen irreparabel zu sein, aber dem Schotten gelang es irgendwie, das Wrack an die Box zu bringen.

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McNish bringt den havarierten Audi an die Box

Und nach mehr als einer Stunde Reparatur tauchte ein rennfertiges Fahrzeug aus den Tiefen der Audi-Box, das in der Folge fast 21 Stunden klaglos lief, allerdings nur noch mit Biela und Kaffer als Piloten, da McNish nach dem Crash nicht weiterfahren durfte. Eine tolle Leistung der beiden deutschen Piloten, die am Ende noch mit Platz 5 belohnt wurde.

So wurde aus einem Vierkampf um den Gesamtsieg nach zwei Stunden nur noch ein Duell zwischen dem Veloqx-Audi mit der Nr. 88 und dem Team Goh Audi, der zwar im Schnitt etwas langsamer war als der britische Konkurrent, am Ende aber nur auf 35 Minuten Standzeit kam, während die Nr. 88 einmal außerplanmäßig sieben Minuten lang repariert werden musste – das war letztlich rennentscheidend. Wieder einmal gewann also das Fahrzeug mit der kürzesten Standzeit, obwohl das schnellere Veloqx-Team um Johnny Herbert in den letzten Stunden alles versuchte die Lücke noch zuzufahren. Bis auf 30 Sekunden kam man in den letzten Runden an den japanischen Audi heran, und die Zuschauer hatten so das Vergnügen einer spannenden Schlussphase.

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Audi R8 Champion Racing, am Ende auf Platz 3

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Panoz Elan GTP – der LMP1-Panoz spielte 2004 keine Rolle mehr

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Porsche GT3 RSR, „The Racers Group“, am Ende Platz 18 (Platz 6 in der GT-Wertung)

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Morgan Aero 8, GT-Fahrzeug, ausgefallen

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Dieser Morgan startete in Le Mans 1962

Am Ende schaffte Tom Kristensen tatsächlich seinen sechsten Le Mans-Sieg, Dindo Capello seinen zweiten (erstmals mit Audi) und Seiji Ara den zweiten Sieg eines Japaners in Le Mans überhaupt, nach Sekiya 1995. Zur Abwechslung hörte man einmal nicht die deutsche, sondern die japanische Hymne bei der Siegerehrung.

Hart umkämpft war die GTS-Klasse: Die beiden Werks-Corvette C5R und die beiden Pro Drive-Ferrari 550 Maranello konnte man anfangs mit einem Handtuch zudecken. Letztlich fiel die Entscheidung aber auch hier nicht über den Rennspeed, sondern über außerplanmäßige Boxenstops. Die Corvette Nr. 64 mit Gavin, Beretta und Magnussen kam mit den geringsten technischen Problemen über die Distanz und belegte am Ende sogar Platz 6 im Gesamtklassement. In der kleinen GT-Klasse waren die Porsche GT3 RSR nicht zu schlagen. Der einzige Ferrari 360 Modena, der im Training noch mithalten konnte, fiel in der Nacht aus, und mit dem White Lightning Porsche gewann einer der GT3 RSR mit einer starken Fahrerbesetzung: Sascha Maassen, Jörg Bergmeister und Patrick Long.

Am Ende freuten wir uns über ein abwechslungsreiches Rennen bei angenehmem Sommerwetter, bei dem die Unfälle, die über die lange Distanz kaum vermeidbar sind, ohne größere Personenschäden und insoweit glimpflich ausgingen. Die Rücktour verlief ähnlich wie in den Jahren zuvor: Aufbruch nach der Siegerehrung, etwa gegen 17 Uhr, dann schon mal 100 km Richtung Paris fahren, in Chartres auf dem Campingplatz erholen, abends in der Stadt schön essen – mit Blick auf die Kathedrale – und am nächsten Morgen die Schäden des Einbruchs auf der Hinfahrt reparieren lassen. Dann ging es auf die Heimreise nach Hause.

Modellübersicht Le Mans 2004 – Modelle in 1:43 (Stand 2014)

Bei den Modellen in 1:43 gab es 2004 noch ein Gleichgewicht zwischen Großserienprodukten (Diecasts, Resincasts) und Kleinserienmodellen (Bausätze, handgebaute Modelle), in den Jahren danach schlug das Pendel dann zunehmend zugunsten der Resincast-Sparte aus. 2004 gehörte Spark bereits neben Minichamps und IXO zu den etablierten Großserienherstellern, und die Resine-Modelle von Spark waren schon damals etwas besser, aber auch etwas teurer als die Diecast-Konkurrenz. Bei den Kleinserien-Produzenten war Starter nicht mehr vertreten, dieses Marktsegment teilten sich bei den Le Mans 2004-Fahrzeugen Provence Moulage, Provence Miniatures und JPS. BBR war dagegen nur noch mit dem Ferrari 550 Maranello dabei.

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Audi R8, Team Goh, Sieger in Le Mans 2004 (IXO)

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GTS-Duell: Corvette C5R (IXO), Ferrari 550 Maranello (Red Line)

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Morgan Supersport Le Mans 1962 (Vitesse), Morgan Aero 8 Le Mans 2004 (Spark)

Die Fotos der Fahrzeuge in Le Mans habe ich bei unserem Besuch 2004 selbst geschossen. Die Fotos der 1:43-Modelle stammen aus der „Minerva“-Sammlung. Wer Fotos oder bewegte Bilder des Rennens sucht, dem sei das übliche ACO-Jahrbuch (Moity, Teissedre, 2004 Le Mans 24 Hours, Chronosport Verlag, 2004) zu empfehlen. Es gab auch wieder das Le Mans-Sonderheft des französischen Modell-Journals „Auto Modelisme“ mit mehreren Fotos von jedem teilnehmenden Fahrzeug, sowie eine Aufzeichnung vom Rennen auf DVD, Bezug z.B. über Duke Video.

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ACO Jahrbuch 2004

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