Die Endurance-Saison 2012 feierte mit dem Jahr 1 der WEC (World Endurance Championship) eine Premiere: Zum ersten Mal seit Anfang der 1990er Jahre fand wieder eine WM für Sportwagen bzw. Prototypen und GT statt, und erstmals seit Mitte der 1980er Jahre konzentrierte sich das Championat endlich wieder auf Langstreckenrennen ab 6 Stunden Dauer.
Wichtigstes und längstes Rennen war natürlich der 24-Stunden-Klassiker in Le Mans, und zur Eröffnung der neuen WEC stand mit den 12 Stunden von Sebring (USA) ein weiteres Traditionsrennen auf dem Saisonplan. Sebring war seit vielen Jahren die zweitwichtigste Endurance-Prüfung des Jahres, und 2012 gehörten die 12 Stunden sowohl zur WEC als auch zur ALMS (American Le Mans Series). Leider fehlte der dritte Endurance-Klassiker der letzten 13 Jahre im WEC-Programm: Die 1000 Meilen von Atlanta „Petit Le Mans“ sind seit 2012 nur noch Teil der ALMS, und ab 2013 fehlte leider auch Sebring im WEC-Kalender. Durch die Fusion der ALMS mit der Grand Am Meisterschaft in 2014 wird sich daran wohl auch in Zukunft nichts ändern. Nachdem Don Panoz und den Le Mans-Organisatoren Ende der 1990er Jahre eine Annäherung der Sportwagen- und GT-Szenerie beiderseits des Atlantiks gelungen war, stehen wir zum Beginn des Jahres 2013 also vor einer Periode der Trennung zwischen einem von Europa (FIA) bestimmten und einem amerikanischen Weg, was vermutlich beiden Seiten nicht gut tun wird. Zudem finden nach dem Verlust der US-Klassiker im WEC-Programm viele der WEC-Rennen 2013, die über sechs Stunden gehen, auf Kursen statt, die nur wenig Sportwagen-Tradition ausstrahlen – Spa und mit Abstrichen noch Silverstone und Fuji einmal ausgenommen.
Abgesehen von diesen kritischen Punkten war der Endurance-Kalender 2012 mit acht WEC-Rennen plus Petit Le Mans gut bestückt. Zum Saisonbeginn musste die Sportwagenwelt allerdings den Schock des Peugeot-Rückzugs verkraften – das Königsduell Peugeot vs Audi, das uns seit 2007 mit tollem Rennsport verwöhnte, war damit geplatzt, und ob Toyota mit seiner Hybrid-Neukonstruktion 2012 in die Rolle des neuen Audi-Herausforderers würde schlüpfen können, war zum Saisonanfang noch völlig ungewiss, zumal die Japaner durch die schlimmen Ereignisse von Fukushima und einen kapitalen Testunfall von Lapierre Ende April im Zeitplan der Tests stark zurückgefallen waren. Mit zwei Audi und anfangs nur einem Toyota sowie einigen wenigen Privatteams, die mit Ausnahme der Rebellion Lola Toyota chancenlos blieben, war die LMP1-Klasse denn auch nur spärlich besetzt, und erst nach Le Mans konnte Toyota die Ingolstädter das eine oder andere Mal ernsthaft herausfordern.
Immerhin: In vier Rennen der zweiten Saisonhälfte konnte Toyota dreimal gewinnen, also 3:1 für die Japaner gegen Audi – viel versprechend für die Saison 2013. Letztlich blieb Audi aber mit dem überarbeiteten „normalen“ R18 Ultra und dem neuen Hybrid-R18 Quattro mit fünf Siegen in acht Rennen, darunter dem wichtigsten in Le Mans, die Nummer Eins, und auch der WEC-Fahrertitel ging am Ende an die nun zweifachen Le Mans-Sieger Lotterer, Treluyer und Fässler. Nach meinem Wertungsmodus, der die erzielten Punkte eines Fahrzeugs zu gleichen Teilen auf die Piloten verteilt, wären allerdings die „Altmeister“ Kristensen und McNish vorn, da sie bei den kürzeren Rennen nur zu zweit fuhren, ihre Team-Konkurrenten dagegen immer zu dritt.
Hinter dem Werksduell zeigten die Lola Toyota des Rebellion Teams die beste Leistung, gekrönt durch ihren Sieg bei den Petit Le Mans, wo Audi und Toyota fehlten. Sie waren jedenfalls meistens stärker als die von Honda motorisierten HPD ARX.
Die LPM2-Klasse mit vielen Privatteams war 2012 so stark besetzt und ausgeglichen wie selten zuvor, die Motoren kamen meist von Nissan, weitere von Honda oder Judd, wichtigster Chassis-Bauer war Oreca. Sieger der WEC-Wertung und auch der LMP2-Klasse in Le Mans war aber der HPD ARX Honda des amerikanischen Starworks-Teams. Viel Spannung zeigte auch die GTE-Kategorie, in der mehrere Werksteams aufeinander trafen (Ferrari, Porsche, Aston Martin), die meist enge Rennen ablieferten. Am Ende hatte hier der Ferrari 458 GT des AF Corse Teams die Nase vorn, sowohl in der WEC-Wertung also auch in Le Mans, wo zusätzlich das Corvette-Werksteam antrat.
Die Krone der Saison, Le Mans, ging erneut wie schon seit 2010 an Audi.
Die einzige Herausforderung für Audi kam in Le Mans nach dem Peugeot-Rückzug von den beiden Toyota TS030, die aber nach einem viel versprechenden Auftakt nach einem Viertel der Renndistanz die Segel streichen mussten. Ein Toyota wurde nach fünf Stunden ohne eigenes Verschulden des Piloten Anthony Davidson nach dem haarstäubenden Unfall völlig zerstört, der andere fiel eine Stunde später nach einem unnötigen Rempler von Nakajima weit zurück und schied später aus. Den vierfachen Audi-Triumph verhinderte der fehlerlos pilotierte und technisch ausgereifte Lola Toyota des Schweizer Rebellion Teams mit Nicolas Prost, Jani und Heidfeld am Volant, der den vierten Platz erreichte, ein komplettes Audi-Podium aber nicht verhindern konnte. Aber auch die Ingolstädter blieben nicht fehlerlos, hatten ein paar Ausrutscher und kleinere technische oder Reifenprobleme zu kompensieren, waren am Ende gegen die private Konkurrenz aber immer noch schnell genug. Das Team mit der geringsten Fehlerquote (Lotterer, Treluyer und Fässler) holte sich dann wie im Vorjahr den verdienten Sieg, wobei unter den 12 Audi-Piloten wohl André Lotterer und Loïc Duval den stärksten Eindruck hinterließen. Es wurde also nichts mit dem vierten Le Mans-Sieg von Dindo Capello zu seinem Abschiedsrennen und dem neunten Sieg von Tom Kristensen.
Langstreckenrennen 2012: Resultate
Quellen:
Diverse Internetseiten zu den 24 Stunden von Le Mans (offizielle ACO-Seite), zur WEC- und zur ALMS-Rennserie, Internet-Journal “Speedweek” sowie die besonders zu empfehlende Seite “GT Eins” (in deutscher Sprache). Außerdem: Print-Journal “Motorsport Aktuell”.