Le Mans 1984: Die Sieger kamen von Platz 30 – Vierter Besuch des Rennens

Bericht von 2011

Zwei Jahre nach der Gruppe C-Premiere 1982 stand wieder ein Le Mans-Besuch auf dem Programm, nun mit dem eigenen VW Westfalia Joker Diesel (T3 mit Klappdach).

VW T3 Joker, Modell in 1:87

Dieses Mal waren schon drei spätere Gründungsmitglieder von „Minerva Racing“ (*) dabei. In Schleswig-Holstein startete ich (HH*) zusammen mit MB*, in Hamburg wurde HP* aufgegabelt, und in Maschen südlich von Hamburg kam noch RB dazu. Vier ausgewachsene Leute im VW Campingbus – da musste man sich schon gut arrangieren und vertragen, die vier Schlafplätze waren jedenfalls vollständig ausgefüllt. Am Dienstag, 12. Juni, ging es los, über Köln bis zu einer Autobahn-Raststätte bei Lüttich, am nächsten Tag dann weiter bis Paris (Camping im Vorort Torcy, mit Metroanschluss ins Zentrum).

Donnerstag stand dann Frankreichs Metropole auf dem Reisemenü. Mit HP und RB, beide ebenfalls fleißige Sammler von 1:43-Modellen, machte ich mich auf die Suche nach einigen einschlägigen Modellgeschäften, aber die üblichen  touristischen Aktivitäten, Bummeln durch die alten Stadtteile (Quartier Latin, Montmartre) und Parks (Tuileries, Jardin du Luxembourg), kamen ebenfalls nicht zu kurz. Wer sich bei seiner Fahrt nach Le Mans ein paar Tage mehr Zeit nehmen kann, sollte die Gelegenheit wahrnehmen, ohne Hektik und kulturelles Pflichtprogramm durch die schönen Quartiere der Pariser Altstadt zu schlendern, in Modell-Shops und Buchläden zu stöbern und die französische Küche zu genießen. Eine Liste aktueller Modell-Shops wird übrigens regelmäßig im Modelljournal „Auto Modelisme“ publiziert.

Freitag ging es dann weiter nach Le Mans, unterbrochen durch einen Zwischenstopp in Chartres mit Rundgang durch die großartige Kathedrale (siehe mein Bericht „Le Mans 1980“). Danach Annäherung an die Rennstrecke, begleitet von Gerry Rafferty („Baker Street“) auf Audio Kassette und mit dem üblichen Prozedere: Bestellte Tickets beim ACO in der Tribune Citroen abholen (General-Eintritt und Boxen-Balkon), Stellplatz suchen – wie 1982 im Innenbereich nahe der Ford-Kurven, also ganz nah am Fahrerlager – und Trainingsergebnisse studieren: 1984 war das dritte Jahr der Gruppe C, die seit Le Mans 1982 vom Porsche 956 beherrscht wurde. Allerdings blieb das Rothmans Werksteam in diesem Jahr zu Hause, aus Protest gegen die Rolle-Rückwärts des ACO: Man hatte die für 1984 vereinbarte weitere Reduktion der erlaubten Spritmenge für Le Mans wieder aufgehoben, und damit war die Entwicklungsarbeit der Stuttgarter obsolet.

Le Mans 1984 sah also die privaten 956-Teams ohne ihre Speerspitze, und die in den Rennen zuvor schon pfeilschnellen Werks-Lancia LC2, Chassis von Dallara und ausgerüstet mit einem Ferrari-V8-Turbomotor, besetzten ohne große Gegenwehr die erste Startreihe, gefolgt von den schnellsten 956-Privatteams von Joest Racing, Kremer, GTI Engineering, Fitzpatrick und Brun. Die vielen britischen Le Mans-Fans freuten sich vor allem auf das Europa-Debut der neuen Jaguar XJR5 aus der amerikanischen IMSA-Serie und auf das Nimrod Aston Martin Team, beide mit großen V12- bzw. V8-Saugmotoren und herrlicher Akustik. Am anderen Ende der Akustik-Skala waren übrigens  vier infernalisch lärmende Mazda-Wankelmotoren in der neu konstituierten Gruppe „C2“ am Werk.

Jaguar XJR 5

Das Rennen

Trotz überlegener Lancia-Zeiten im Training: Die Siegchancen wurden recht gleichmäßig auf mehrere Spitzenfahrzeuge der renommierten Porsche-Teams verteilt, Lancia traute man – so der Eindruck der bisherigen Rennsaison – nicht so recht zu, das erste Rennviertel ohne Probleme zu überstehen. Entsprechend sahen die Sieger-Tipps im Rahmen unserer privaten „Le Mans-Wette“ aus: Joest Porsche Nr. 7 (Pescarolo-Ludwig), und Nr. 8 (Johansson-Schlesser), GTI Porsche Nr. 14 (Palmer-Lammers) und Kremer Porsche Nr. 11 (Schuppan-Jones-Jarier).

Mit meinem Tipp (Joest Nr. 7) machte ich allerdings erst einmal ein langes Gesicht: Mit kleineren Defekten gleich nach Rennstart (Einspritz- und Benzinpumpe) war man bis ans Ende des Feldes zurückgefallen und lag nach einer Stunde auf Platz 30, und nach vier Stunden fiel man nach einer erneuten Reparatur (Radaufhängung) nochmals auf Rang 22 zurück.

Ansonsten war Le Mans 1984 ein ausgesprochen spannendes und abwechslungsreiches Rennen: Insgesamt lagen neun unterschiedliche Fahrzeuge an der Spitze, und die Führung wechselte über die 24 Stunden nicht weniger als 27mal. Insofern profitierte das Rennen von der Abwesenheit der ansonsten überlegenen Werks-Porsche, von einem nicht erwarteten Stehvermögen der Lancia und dem beachtlichen Rennspeed der Jaguar und Aston Martin. Bei schönem Sommerwetter rochierten wir zwischen dem Boxenbalkon und der Rennstrecke bis zu den „Esses“, wo man den Rennspeed und die Akustik der Gruppe C-Boliden viel besser genießen kann als bei Start und Ziel. Andererseits war die Informationslage auch 1984 immer noch schwierig. Ein paar Bildwände konnten die umfassenden englischen Kommentare von Radio Le Mans (kam erst ab 1987) bei weitem nicht ersetzen.

So blieb nichts anderes übrig, als regelmäßig zu unseren Stammplätzen über den Boxen zurückzukehren und auf dem Weg dorthin im Pressezentrum oder im Fahrerlager Informationen einzuholen. Dann, kurz nach 21 Uhr, wurde es still über der Rennstrecke – immer ein Besorgnis erregendes Zeichen. Mit einem Schlag war das Aston Martin Team mit beiden Fahrzeugen ausgelöscht – Reifenschaden auf der Hunaudieres-Geraden mit fatalen Folgen: ein toter Streckenposten, ein schwer verletzter Pilot (John Sheldon) und ein komplett zerstörter Aston Martin – das andere Gesicht des Rennens, die kritische Seite der 7 Kilometer langen Geraden mit Geschwindigkeiten über 350 km/h. Aber darüber erfuhren die Zuschauer, insbesondere die, die kein Französisch verstehen, erst nach und nach ein paar Fakten, viele konnten sich erst am Montag nach dem Rennen in der Presse informieren.

Am Morgen war für mich – abgesehen von diesem Vorfall – die Welt wieder in Ordnung: Die Nr.7 von Joest Racing hatte endlich Platz 1 erobert und den Lancia mit Wollek und Nannini abgelöst, der sich über Nacht erstaunlich lange an der Spitze halten konnte. Klaus Ludwig fuhr nun seinem zweiten Le Mans-Sieg (nach 1979) und Henri Pescarolo seinem vierten (nach 1972-73-74) entgegen. Selbst ein erneuter Austausch eines Querlenkers gegen 8 Uhr morgens konnte nichts mehr ändern. Es war übrigens der erste von zwei Le Mans-Erfolgen der „Lucky Number Seven“ von Joest (Nr. 956-117), 1985 gewann man mit diesem Fahrzeug erneut und auch noch 1986 lag der 956-117 bis zur Hälfte des Rennens an der Spitze, fiel dann aber aus. Zwei Le Mans-Siege desselben Fahrzeugs: Das hatten zuvor nur Bentley mit dem Speed Six (1929, 1930) und Ford mit dem Gulf-GT 40 (1968, 1969) geschafft. Am Ende eines spannenden Rennens lagen nun doch wieder sieben der bewährten Porsche 956 vorn, das Werk wurde also würdig von den Privatteams vertreten.

Mit breiter Brust (als Wettsieger) fuhr ich mit meinen Mitstreitern Sonntagabend bis Rambouillet kurz vor Paris auf den schon bekannten Campingplatz (siehe Bericht „Le Mans 1980“), um dort den Rennstaub abzuduschen und das lokale Restaurant zu genießen, das Rennen noch einmal Revue passieren zu lassen und die nötige Ruhe vor der 1100 km langen Rückfahrt am Montag zu finden.

Die Modelle

Die wichtigsten Fahrzeuge wurden schon recht bald nach dem Rennen 1984 von den Marktführern im 1:43-Modellbau präsentiert: Record, Starter und Provence Moulage setzten die Maßstäbe mit ihren Resine-Bausätzen, aber auch Tenariv und AMR beteiligten sich an der Reproduktion einiger Teilnehmer, und die schnellsten der Gruppe C2-Fahrzeuge kamen ebenfalls nicht zu kurz. Auch heute (2011) ist das Modellangebot durch Resincast- oder Diecast-Modelle recht gut: Spark, Bizarre und Minichamps bieten die wichtigsten Fahrzeuge des Rennens 1984 an (siehe folgende Liste), die C2-Wagen von Lola-Mazda und Mazda eingeschlossen. Lediglich bei einigen Teilnehmern aus den hinteren Reihen muss man nach älteren Bausätzen suchen.

Le Mans 1984 Modellübersicht (Stand 2011)

Joest Racing Porsche 956 (Nr. 956-117), Sieger, Modell: Spark

Jaguar XJR5 Group44 Racing (AMR)

Nimrod Aston Martin, Modell: Spark

Lancia LC 2 (Record)

WM Peugeot P84, Modell: Tenariv

vorn Lola Mazda T616 (C2-Sieger) (Bizarre), hinten: Mazda 727 (Bizarre)

Es folgen Fotos, die ich beim Rennen geschossen habe. In jedem Fall ist die im Handel angebotene DVD sehr zu empfehlen, sie zeigt den bis dahin ausführlichsten und sehr kompetenten Report über die gesamte Veranstaltung, mit Bildern einer Onboard-Kamera (im GTI Porsche 956 Nr. 16), eine Technik, die damals noch weitgehend unbekannt war. Heute sind solche Aufnahmen ja schon Routine, aber damals waren sie äußerst beeindruckend.

Quellen:

Christian Moity, Jean-Marc Teissedre, 24 Heures du Mans 1984, Editions Acla Automobile Club de l´Ouest, 1984  /  Motorsport-Journals von Juli/August 1984.

Weitere Anmerkungen zu den Fotos und zu Informationsquellen: siehe Bericht „Wie alles begann“, außerdem: siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“.

Brun Porsche 956

Brun Porsche 956

Kremer Porsche 956

Kremer Porsche 956

Kremer Porsche 956 im Fahrerlager

Henn Porsche 962 IMSA

BMW M1, Team Jens Winther, Roskilde

Ferrari 512 BB Ferrarelle

March Buick 84G

HP und HH, Gründungsmitglieder von Minerva Racing, im Parc Ferme mit dem Siegerwagen von Le Mans 1984

HP und HH, Gründungsmitglieder des Minerva-Teams, im Parc Ferme mit dem Siegerwagen

 

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