Le Mans 1980: Ein Konstrukteur siegt als Fahrer seines eigenen Fahrzeugs – Zweiter Besuch des Rennens

Bericht von 2011

Nach 1978 folgte der zweite Besuch zwei Jahre später, 1980, dieses Mal zusammen mit meinem lieben Freund GB mit seinem VW T2b Campingbus. Die Keimzelle zum späteren „Minerva Team“ war gelegt. Wie 1978 kam es auch 1980 nur zu einem Kurzbesuch, Hinfahrt Donnerstag und Freitag, also wurden die beiden Trainingstage wieder verpasst: Ausgiebige Besuche der Le Mans-Rennwoche folgten erst einige Jahre später.

Eine andere Tradition wurde aber schon 1980 begonnen: Nach 1200 km Fahrt und ca. 120 km vor dem ersehnten Ziel Le Mans bildete in allen Jahren die alte Stadt Chartres mit ihrer grandiosen Kathedrale einen Markstein bei der Annäherung an die Rennstrecke. Wenn ihre Silhouette bereits 15 Kilometer vor Chartres wie eine Fata Morgana über den Weizenfeldern sichtbar wird, ist das immer ein Zeichen, dass wir bald am Ziel sind. 1980 wurde dieses Prunkstück der Hochgotik am Freitag ausgiebig besichtigt, bevor wir zur Rennstrecke weiterfuhren. Jedem Le Mans-Besucher, der etwas Zeit und ein wenig Kulturverständnis aufbringen kann, sei eine Stippvisite in Chartres mit der Kathedrale ans Herz gelegt.

Das Rennen

Das Rennen 1980 war insofern wenig spektakulär, da keine Mega-Werksteams mit großem Aufwand und Getöse um den Gesamtsieg fuhren. Eigentlich gab es nur einen kleinen Werkseinsatz von Porsche mit drei neuen, seriennahen 924 GT in der GTP-Klasse, von Lancia den Gruppe 5-Beta Monte Carlo und von BMW ein M1, eingesetzt von „BMW France“. So war es für uns kein Problem, am Freitagabend – ohne vorherige Buchung – noch einen günstigen Stellplatz für unseren Bulli zu finden, gerade einmal fünf Gehminuten vom alten Museum und vom Village entfernt. Das wäre heute völlig illusorisch. Die Nähe zur Rennstrecke zahlte sich dann aus, weil die beiden Renntage von sehr durchwachsenem Wetter geprägt waren – häufige Regenschauer, unterbrochen von kurzen Sonnenperioden, machten das Rennen interessant, waren aber für die Zuschauer weniger angenehm.

Nachdem das Porsche-Werk nach vier Jahren Renneinsatz des 936, immerhin belohnt durch zwei Erfolge (1976, 1977), dieses Mal keinen Anspruch auf den Gesamtsieg erhob und Kontrahent Renault nach dem Sieg 1978 den Weg in die Formel 1 eingeschlagen hatte (auch das Mirage-Team fehlte 1980), waren andere Fahrzeuge Anwärter auf den Gesamtsieg. Am häufigsten wurde der von Joest Racing vermutlich in Kooperation mit der Porsche-Rennabteilung in Weissach aufgebaute Porsche 936/004 (nach technischem Stand 1977) genannt, der vom Teamchef selbst und von Le Mans-Legende Jacky Ickx pilotiert wurde. Er nahm in Le Mans 1980 als „908/80“ teil, da das Porsche-Werk einen Privateinsatz unter dem Namen 936 nicht gestattete. Jedenfalls hatte das Fahrzeug nichts mit einem Porsche 908 zu tun, es war eindeutig ein 936.

Weitere Sieganwärter waren natürlich die stärksten der vielen gemeldeten Porsche 935, immerhin Gesamtsieger des Vorjahres, darunter einige potente und fahrerisch stark besetzte 935 K3 in der 1979 von Kremer entwickelten Version. Am häufigsten wurden der Barbour 935 K3 mit Fitzpatrick, Redman und Barbour, der Kremer K3 mit Rolf Stommelen (Nr. 42) sowie der Loos-935 mit Bob Wollek genannt. Und schließlich Frankreichs Favorit: Jean Rondeau trat zum fünften Mal mit seinen eigenen Konstruktionen in Le Mans an, hatte sich über die Jahre kontinuierlich nach vorn gearbeitet und griff nun mit seinen beiden schwarz lackierten M379B, befeuert von starken und zuverlässigen Ford Cosworth-Motoren aus der Formel 1, zur Krone eines Gesamtsiegs in Le Mans.

Beim Rennstart und auch sonst über viele Stunden standen wir wieder wie schon 1978 auf dem Boxenbalkon, um die Pitstops, die Reparaturarbeiten und das übliche Gewusel von Menschen in der Boxengasse zu beobachten. So kam der BMW M1, den Hans-Joachim Stuck im Regen der Anfangsphase bis an die Spitze des Feldes pilotiert hatte, mit geborstener Frontscheibe genau unter uns zum Stehen – damit war seine Gala-Vorstellung, das erste Le Mans-Ausrufezeichen des späteren Porsche-Stars, erst einmal beendet.

Eine kleine Verbesserung hatte man für die Zuschauer eingeführt: Die ersten Bildwände in Le Mans und die ersten Inboard-Kameras mit Life-Aufnahmen aus dem Cockpit. Aber die alten Tribünen, die immer noch lausigen Sanitäranlagen und das alte „Holzbau“-Village verströmten immer noch den Charme der 1960er Jahre, was nicht nur als Kritik zu verstehen ist.

Am Ende des spannenden Rennens mit Führungswechseln zwischen den 935, den Rondeaus und dem Joest-936 war es bekanntlich die von Jean Rondeau selbst pilotierte Nummer 16, die den ersten und bisher (2017) einzigen Erfolg eines Konstrukteurs und Fahrers in Personalunion in Le Mans markierte – ganz Frankreich jubelte! Der Joest-936 war zwar, zumal mit Ickx am Volant, das etwas schnellere Fahrzeug , er wurde aber – untypisch für das Team – durch zwei technische Defekte (Einspritzpumpe, Getriebe) zurückgeworfen. Ihm blieb am Ende nur der zweite Platz, was aber schließlich erst in der letzten Rennstunde entschieden war.

Le Mans Sieger 1980: Rondeau M379B

Porsche 936 (Joest Racing)

Porsche 935 K3 Barbour, 5. Platz

Porsche 935 K3 Kremer

Porsche 935 K3 Kremer

Porsche 935 K3 Barbour

WM Peugeot P79/80, 4. Platz

BMW M1 (BMW France), 14. Platz

BMW M1 (Stuck), 15. Platz

Porsche 924 GT (Werkseinsatz)

Porsche 924 GT

Porsche 924 GT

Porsche 924 GT

Rondeau und Jaussaud am Ziel

Die Modelle

Für den Modellsammler sind in diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen interessant: Der Joest Porsche 936 entsprach in seiner Form dem Werks-936 von 1977, allerdings gibt es ein paar kleine Detailänderungen (z.B. Lufteinlässe im Heckbereich) gegenüber dem 1977er Fahrzeug, die Decals sind natürlich auch etwas anders. Auch die Form des Siegerwagens von Rondeau (M379B) war etwa so wie im Vorjahr, das 1979er Modell gab es auch bereits von AMR als Metallbausatz in 1:43. So konnte Jacques Simonet, der sich wieder mit seinem Manou-Pavillon im Village eingerichtet hatte, ein Modell des designierten Le Mans-Siegers 1980 auf der Basis des 1979er AMR-Bausatzes in schwarzer Lackierung und handgemaltem Decor eine Stunde vor (!) Rennende in die Auslage seines Shops stellen – ein nicht ganz billiges Unikat, das vermutlich heute aber sehr wertvoll ist.

Natürlich kam AMR einige Wochen später mit dem korrekten Modell und den passenden Decals in die Kataloge. Die Qualität des Modells war wie bei AMR nicht anders zu erwarten beispielhaft und weit über dem damals üblichen Standard. Mittlerweile ist es natürlich auch von Spark als Resincast lieferbar. Ansonsten waren und sind heute alle wichtigen Modelle des Rennens als Diecast oder Resincast lieferbar.

Le Mans 1980 Modellübersicht (Stand 2011)

Rondeau M 379B (AMR)

Porsche 936 Joest Racing (Solido)

WM Peugeot P79/80 (Bizarre)

Porsche 935 K3 (Quartzo)

Porsche 935 K3 Barbour (Record)

BMW M1 (Minichamps)

BMW M1 (Solido)

Porsche 924 GT (Spark)

Lola T 298 (Bizarre)

Nach dem Rennen

Auf der Rückfahrt erlaubten wir uns dieses Mal einen Zwischenstopp mit zwei Übernachtungen auf einem Campingplatz in Rambouillet, 50 km vor Paris, um noch einen Tag durch die französische Metropole zu bummeln und die Hörschäden, die die Rennmotoren hinterlassen hatten, langsam auszuheilen. Bemerkenswert an dem Campingplatz, den es heute nicht mehr gibt, waren das recht gute französische Restaurant auf dem Platz, das natürlich gleich getestet wurde (4-Gang-Menü statt Croque Monseur, das war doch was!), und die heißen Duschen, deren Wassertemperatur (gefühlt 90 Grad) allerdings vom Campingwart fest vorgegeben wurde. So wurde satt, sauber (allerdings leicht verbrüht) und ohne Ohrklingeln die Rückreise angetreten.

Quellen:

Christian Moity, Jean-Marc Teissedre, 24 Heures du Mans 1980, Editions Publi-Inter, 1980  /  Motorsport-Journals von Juli/August 1980.

Weitere Anmerkungen zu den Fotos und zu Informationsquellen: siehe Bericht „Wie alles begann“, außerdem: siehe Rubrik „Über diese Seite“ → „Anmerkungen zu Minerva Endurance“.

 

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